Werkzeuge der Ist-Analyse von Organisationen

Geschwurbel von Daniel Schwamm (27.06.1994)

Inhalt

1. Analyseverfahren

1.1. Kommunikationsanalyse

1.1.1. Vorstellung

Objektive Kriterien gewinnen zur räumlichen Zuordnung der verschiedenen Organisationseinheiten nach Massgabe der Intensität ihrer gegenseitigen Beziehung.

1.1.2. Methode

Kontakthäufigkeiten (nicht Dauer!) ermitteln zwischen Organisationseinheiten. Entweder zentral von der Führung oder dezentral von Schlüsselpersonen schätzen lassen, wobei jedoch viel Spielraum zur Manipulation bleibt. Oder über Strichlisten bzw. EDV-Erfassung selbst die Zählung der Face-to-Face-Kontakte übernehmen.

1.1.3. Gründe für Manipulation

  • Fragebögen werden als lästig empfunden.
  • Angst vor Wegrationalisierung.
  • Soll-Vorstellung stimmt nicht mit Ist-Gegebenheiten überein.
  • Unkenntnis (v.a. der Intensität der Kommunikation).
  • Festhalten am Status quo, denn Änderungen sind riskant und bedeuten eventuell eine Abwertung der bisherigen Arbeit.

1.1.4. Zu klärende Fragen bei Selbsterfassung

  • Erhebungszeitraum? I.d.R. 2 bis 5 Wochen.
  • Kommunikationsart? I.d.R. Face-to-Face-Kommunikation.
  • Zählgruppe? I.d.R. Arbeitsgruppen.

1.1.5. Zweck

Die Kommunikationsanalyse dient z.B. der Büroraumplanung. Sie liefert ein Ist-Bezugsschema für die Soll-Grundrissplanung. Sie kann aber auch als Reorganisationsgrundlage dienen, wenn Änderungen an der Aufbau- bzw. der Ablauforganisation vorgenommen werden sollen.

1.2. Affinitätsanalyse

1.2.1. Problemfeld

Wenn man mehrere Produkte herstellt, ist dann eine funktionale oder divisionale Organisationsstruktur besser. Eine Entscheidungshilfe bietet die Affinitätsanalyse. Sie analysiert die Gemeinsamkeiten bzw. Unterscheide zwischen Produkten untereinander.

1.2.2. Lösungsansatz

Bei hoher Affinität ist keine divisionale Organisation nötig, sondern es kann funktional vorgegangen werden. Bei hoher Affinität zwischen zwei Abteilungen (nicht nur bezüglich der Kommunikationshäufigkeit wie bei der Kommunikationsanalyse, sondern mehrdimensional auch bezüglich Fertigungstechnologie, Abnehmergruppen, Umsatz usw.; allerdings fehlt eine Betrachtung der optimalen Leitungsspanne wie beim Lockheed-Modell) können diese u.U. zusammengelegt werden (Spartenzusammenfassung, Geschäftsbereichsbildung durch Sub-Divisionen).

1.2.3. Methode

Ausdiskutieren der Affinitätskriterien (z.B. Kundenstruktur, Produktionstechnologie, ...) zwischen den Bereichen (Forschung, Produktion oder Vertrieb). Es ist dann jeweils die Affinität zwischen zwei Produkten zu messen (Teilaffinität), die in grafischer Weise durch Affinitätsblöcke verdeutlicht werden können: Der überlappende Teil bedeutet dann die Ähnlichkeit zwischen den Produkten und diese lässt sich in einer einzigen Zahl ausdrücken.

1.2.4. Kritik

Gefahr der Willkür in Kriterien, Gewichtungen und der Messgrösse der überlappenden Blöcke. Immerhin wird jedoch die Problematik strukturiert.

1.3. Psychologische Arbeitsanalyse

1.3.1. Psychologische Auftrags- und Bedingungsanalyse

Nach Herrmann Matern ("Psychologische Arbeitsanalyse", 1983) kann man hier nach folgenden Schritten vorgehen, die von AUSSEN zur Erhebung des intrinsischen Aufgabengehalts durchgeführt werden:

  1. Einordnung aller Tätigkeiten im Unternehmen nach Funktionen wie z.B. steuernde, regelnde und überwachende Tätigkeiten.
  2. Produktmenge, Güte, Materialverbrauch pro Auftrag erheben.
  3. Arbeitsrelevante Kooperation zwischen den Beschäftigten erheben (relevant für Inhalt und Umfang der Tätigkeit).
  4. Aufträge auf Stabilität, Schwierigkeit und Verfügbarkeit prüfen. Man erhält eine Rangordnung von Komplexitäten.
  5. Freiheitsgrade pro Auftrag bzw. Tätigkeit ermitteln. Die objektiven (beobachtbaren) Freiheitsgrade müssen mit den subjektiven (nach Befragung erfahrenen) Freiheitsgraden übereinstimmen, sonst sind reorganisatorische Massnahmen nicht zu vermeiden.
  6. Erhebung der Häufigkeit, Zeitdauer, Wiederholungen von Aufträgen.

1.3.2. Psychologische Tätigkeitsanalyse

Wenn die Auftragsanalyse noch keine Aussagen für konkrete Gestaltungsempfehlungen zulässt, kann eine Tätigkeitsanalyse daran angeschlossen werden. Tätigkeiten setzten sich aus mehreren (Teil-)Aufträgen zusammen, die von einer Person bearbeitet werden. Der jeweils leistungsrelevante Teil der Tätigkeit kann durch folgende Schritte durch Befragung der Beschäftigten ermittelt werden (d.h., hier erfolgt eine Ermittlung des intrinsischen Gehalts von INNEN):

  1. Erfassung der Teiltätigkeiten einer Tätigkeit durch Beobachtung.
  2. Kategorien-System aller beobachteten Tätigkeiten bilden.
  3. Betrachtung der einzelnen Kategorien im Zeitablauf.

1.3.3. Auswirkungen der Tätigkeiten und Bedingungen auf die Beschäftigten

Über diverse Verfahren soll geprüft werden, inwieweit sich die zuvor erhobenen Tätigkeitsstrukturen und Auftragsstrukturen auf das subjektive Empfinden der Beschäftigten auswirken.

1.3.3.1. Job-Diagnostic-Survey

Das Job-Diagnostic-Survey-Verfahren von Hackman und Oldham ("Development of the job diagnostic survey", 1975) soll wiedergeben, wie sich die Arbeitssituation auf die Motivation der Beschäftigten auswirkt. Ohne auf die qualitative Trennung von Arbeitszufriedenheit und Arbeitsunzufriedenheit einzugehen, propagiert das Job-Diagnostic-Survey-Verfahren fünf Motivatoren:

  1. Anforderungsvielfalt.
  2. Ganzheitlichkeit der Aufgabe.
  3. Bedeutung der Aufgabe für andere.
  4. Autonomie.
  5. Feedback.

Die Beschäftigten sollen dabei jeweils von 0 bis 7 schätzen, inwieweit diese Merkmale bei ihnen gegeben sind. Die Motivation lässt sich dann in einer Zahl ausdrücken:

Motivationspotenzial = ((1)+(2)+(3))/3 * (4) * (5)

Die additive Verknüpfung deutet an, dass nur die ersten drei Motivatoren kompensatorisch ausgeglichen werden können. Prämisse für die positive Ausnutzung des Motivationspotenzials ist laut des Job-Diagnostic-Survey ein Bedürfnis nach Selbstentfaltung des Beschäftigten. Ansonsten ist der Beschäftigte durch eine Steigerung der Motivatoren sogar eher zu demotivieren! Leider gibt das Job-Diagnostic-Survey-Verfahren keine Auskunft darüber, WIE die Motivatoren genau zu steigern wären, sondern nur, dass sie zu steigern sind.

1.3.3.2. Subjektive Arbeitsanalyse

Ähnlich wie beim Job-Diagnostic-Survey-Verfahren soll auch die subjektive Arbeitsanalyse aufzeigen, wie Beschäftigte ihre objektive Arbeitssituation wahrnehmen. Dazu werden fünfstufige Profile erstellt, die zwischen den folgenden Extremen schwanken:

  • Fremdbestimmung versus Selbstregulation.
  • Sinnlosigkeit versus Transparenz.
  • Dequalifikation versus Handlungskompetenz.
  • soziale Isolation versus soziales Engagement.
1.3.3.3. Subjektive Tätigkeitsanalyse

Die subjektive Tätigkeitsanalyse will aufzeigen, dass kognitive Dissonanz nicht mit einer Senkung der Anspruchsniveaus einhergehen muss, sondern dass durch ein Bewusstsein für die Problematik innerhalb von Gruppen bei gleichzeitigem Angebot von Qualifikationssteigerungen durch das Management eine gleiche Leistung von höherer Effizienz zu gewinnen ist. Folgende Schritte sind dazu durchzuspielen:

  1. In Gruppendiskussionen werden die Tätigkeitsdimensionen bestimmt.
  2. Pläne ausarbeiten zur Veränderung der Tätigkeiten innerhalb der Gruppe.
  3. Qualifikationen für die Veränderung ermitteln.
  4. Schulungsmassnahmen initiieren.
1.3.3.4. Analyse der Regulationserfordernisse

Die Hypothese der Analyse der Regulationserfordernisse besagt, dass die Anforderung, die ein Beschäftigter an seine Arbeit stellt, mit der Vollständigkeit der Aufgabe in einem korrelativen Verhältnis steht. Dadurch bedingt wächst die Persönlichkeit des Beschäftigten mit der Autonomie seiner Arbeit. In der Analyse kann nun ermittelt werden, welche Regulationserfordernisse die Arbeit verlangt und inwieweit sie vom Tätigkeitsträger erwünscht sind.

1.3.3.5. Analyse der Regulationsbehinderungen

Regulationsbehinderungen ergeben sich aus:

  • Regulationshindernisse: Dazu gehören Erschwerungen und Unterbrechungen.
  • Regulationsüberforderungen (unabhängig von Ausführenden): z.B. Zeitdruck.

Sämtliche Ist-Regulationsbehinderungen sind zu ermitteln, um sie bei späteren Gestaltungsmassnahmen berücksichtigen zu können. Denn es gilt: Nichts wirkt demotivierender als ständige Störungen.

1.3.3.6. Stress-Analyse

Stress wird hier als gesundheitsgefährdendes empfundenes Ungleichgewicht bezeichnet. Stressoren ergeben sich hauptsächlich aus tätigkeitsimmanenten Regulationsüberforderungen. Doch auch inhaltliche Unterforderungen (z.B. Monotonie) können negativ auf das Bewusstsein der Beschäftigten drücken. Die Analyse will Stress-Risiken von Tätigkeiten aufdecken, wobei sie qualitativ drei stressige Arbeitsplatztypen unterscheidet. Stellen mit:

  1. Zeitdruck+, Arbeitsinhalt+/-, Handlungsspielräume- => Arbeitszufriedenheit-, Depressionen+, Gereiztheit+
  2. Zeitdruck+, Arbeitsinhalt+, Handlungsspielräume+ => Arbeitszufriedenheit+, Depressionen+, Gereiztheit+
  3. Zeitdruck-, Arbeitsinhalt-, Handlungsspielräume- => Arbeitszufriedenheit-, Depressionen-, Gereiztheit-

2. Generierung alternativer Grobkonzepte

2.1. Sinn von Alternativen

Warum ist die Generierung von alternativen Grobkonzepten zur Lösung von in der Ist-Analyse (siehe vorherige Kapitel) gefundenen Problemen sinnvoll?

Wird nur eine Lösung angeboten, besteht bereits eine implizite Bewertung, die aber nicht transparent ist. Das bedeutet aber auch, die Akzeptanz der Beschäftigten gegenüber dieser Lösung ist nicht hoch. Daher werden mehrere Grobkonzepte angeboten, um Partizipation sinnvoll zu ermöglichen (auch wenn z.B. zwei von drei Grobkonzepten nur zum "Abschiessen" gedacht sind). Manager sind Architekten, die ihren Klienten, den Beschäftigten, Gestaltungsalternativen anbieten sollten, damit diese Beschäftigten ihre Zielvorstellung in den Prozess einbringen können, auch wenn ihnen selbst das Know-how fehlt, die Alternativen zu erkennen.

2.2. Findung von Alternativen

Wie kommt man zu den Alternativen? Beispielsweise über Kreativitätstechniken wie Brainstorming oder Synectics (Hineindenken in den Problembereich, z.B. "Ich bin ein Schliessmuskel, was habe ich zu tun?"). Bei komplexen Problemen eignet sich die Methode von John Kenneth Galbraith: Dabei überlegt man sich Ideen zur Reduzierung der Koordination (z.B. Autonomie und Slack steigern) und/oder der Steigerung der Informationsverarbeitungskapazität (z.B. EDV und Teams ausbauen). Dadurch sind viele Varianten durchspielbar und der Lösungsraum wird gut aufgespannt.

2.3. Bewertung von Alternativen

2.3.1. Rationale Bewertung

Bewertungen sind subjektiv. Jedoch können sie Intersubjektivität (also fast Objektivität) erlangen, wenn sie allgemein nachvollziehbar sind. Die nötigen Anforderungen dazu sind:

  • Vollständigkeit der Bewertungsgrundlagen: Auch Wirkungen abschätzen.
  • Einheitlichkeit: Planer und Entscheider brauchen gleiche Kriterien.
  • Offenlegung: von Zielen, Gewichten usw. (Transparenzschaffung).

2.3.2. Bewertungsschritte

  1. Zielbestimmung: Welches Problem ist zu lösen?
  2. Alternativen bestimmen: Reorganisation 1 oder Reorganisation 2 besser?
  3. Relevante Kriterien bestimmen: z.B. Störanfälligkeit.
  4. Gewichte bestimmen: nach intersubjektiven Präferenzen.
  5. Skalen bestimmen: ordinal, kardinal, nominal?
  6. Ermittlung der Kriterienausprägungen: z.B. durch Schätzung.
  7. Wertsynthese für die Gesamtbewertung: Dies ergibt eine Rangfolge der Alternativen.

2.3.3. Bewertungstechnik

2.3.3.1. Verbale Bewertung

Die verbale Bewertung ist eine intuitive, meist nominale Abschätzung der Kriterien-Ausprägungen. Die Wertsynthese ist hierbei schwierig. Wenn jedoch wenig Bewertungsalternativen mit wenigen Kriterien vorliegen, und zudem die Bewerter ungeschult sind, stellt dieses Verfahren für eine Vorwahl bzw. globale Abschätzung die beste Alternative dar.

2.3.3.2. Kosten- und rentabilitätsorientierte Bewertung

Hier werden nur monetäre Grössen beachtet. Durch die Anwendung kardinaler Messskalen fällt die Wertsynthese einfach aus. Die Vorteile von Investitionen können statisch (ohne Zinsen) über Rentabilitätsrechnungen, Amortisationsrechnungen und Gewinnvergleichsrechnungen oder dynamisch (mit Zinsen) über Kapitalwertrechnungen, interne Zinsfussrechungen und Annuitätenrechnungen kalkuliert werden.

2.3.3.3. Kosten-Nutzen-Analyse

Im Gegensatz zur kosten- und rentabilitätsorientierte Bewertung werden bei der Kosten-Nutzen-Analyse auch nicht-monetäre Nutzenfaktoren berücksichtigt. Dies verlangt aber verschiedene Skalen, sodass die Wertsynthese zwischen Kosten und Leistung, und zwischen monetären und nicht-monetären Nutzen trennen muss. Als Ergebnis will man eine kardinale Kennzahl der Bewertung erhalten.

Ein mögliches Verfahren hierzu könnte eine Kostenanalyse sein: Was kosten Sachmittel, was das Personal und was eventuell benötigte Fremddienste? Die Kosten können dann weiter zergliedert werden in einmalige Kosten und laufende Kosten.

Bei der Kosten-Wirksamkeitsanalyse sind die Erfolgsaussichten relevant, ebenso der langfristige Bedarf und die soziale Effizienz. Die Kosten und Wirksamkeiten können in Balkendiagrammen visualisiert werden. Es lassen sich auch Kosten-Wirksamkeitsquotienten bilden, wobei darauf zu achten ist, dass Relativzahlen nur Verhältnisse wiedergeben und keine absoluten Massstäbe sind (grafisch gesprochen: Nur auf die Steilheit der Kurve kommt es letztlich an).

2.3.3.4. Nutzwertanalyse

Die Nutzwertanalyse ist eine Vereinfachung der Kosten-Nutzen-Analyse, da hier nur die monetären und nicht-monetären Nutzkriterien bewertet werden. Üblicherweise kommen hier Scoring-Modelle zum Einsatz. Die Kriterien der Modelle können von einem Planer/Entscheider stammen oder sie können ausdiskutiert worden sein. Und über ihre Ausprägung kann ein arithmetisches Mittel gebildet werden, wenn jeder Manager die gewünschte Ausprägung der Kriterien selbst bestimmen darf. Ihre einfachen Punktewertungen lassen sich z.B. verbessern, wenn wie z.B. beim BASYC-Verfahren von Mumford optimistische und pessimistische Scores gebildet werden (dafür benötigt dieses Verfahren allerdings Know-how von den Bewertern). Auch können die Merkmale hierarchisiert aufgeführt werden, um ihre Abhängigkeit transparent zu machen (z.B. Arbeitszufriedenheit als Hypermerkmal für Fluktuation, Krankenstand und Motivation). Auch sollte eine gemeinsame Basis für eine Rangeinordnung einzelner Merkmale geschaffen werden, z.B. indem jedes Merkmal in Relativität zu den anderen betrachtet wird.