Organisationstheorien I
Geschwurbel von Daniel Schwamm (25.01.1994 bis 01.05.1994)
Inhalt
Organisationstheorien gibt es so einige. Doch wozu werden diese benötigt?
Warum sind sie entstanden? Warum gibt es mehrere von ihnen, weshalb genügt
nicht nur eine? Diese und ähnliche Fragen werden wir versuchen im folgenden
Beitrag zu beantworten.
In allen gesellschaftlichen Bereichen existieren Organisationen. Daher
sollte man über diese Institutionen auch Bescheid wissen.
Organisationstheorien sollen Organisationen erklären und sie
verständlich machen. Im Gegensatz zum reinen Alltagswissen über sie
müssen diese Erklärungen aber intersubjektiv prüfbar sein.
Organisationen sind hochkomplexe Gebilde. Daher sind sie nicht nur durch
eine Theorie fassbar, sondern müssen unter verschiedenen Aspekten
beleuchtet werden. Dies führte zuerst zu einer Unterscheidung zwischen
Makro-, Meso- und Mikroorganisationstheorien: Die Erste betrachten Beziehungen
zwischen Organisationen, die Zweite verschieden Organisationsformen und die
Dritte Beziehungen von Individuen in Organisationen. Eine weitere Unterscheidung
der Organisationstheorien liegt darin begründet, dass einige Theorien
Organisationen erklären und andere sie verständlich machen wollen.
Und zuletzt existieren mehrere Organisationstheorien, weil sich so verschiedene
Disziplinen wie Soziologie, Ökonomie und Psychologie aus verschiedenen
Motiven heraus mit ihnen befassen.
Theorien sind Aussagesysteme. Aussagen setzten sich aus Begriffen zusammen.
Begriffe sind Träger von Vorstellungsinhalten. Sie lassen sich
folgendermassen systematisieren:
- logische Begriffe dienen nur der Verknüpfung der Begriffe.
-
nicht-logische Begriffe lassen sich unterscheiden in:
- präskriptive Begriffe, die normierend wirken wollen.
- deskriptive Begriffe, die beschreibend wirken wollen. Sie lassen sich
weiter unterscheiden in:
- Begriffe mit empirischem Bezug, die einer Nominaldefinition bedürfen.
- Begriffe ohne empirischen Bezug, für die Indikatoren zu bestimmen sind.
Schwachpunkt jeder Theorie bleibt, dass sie über die
konstruierten Begriffe nur konstruierte Tatsachensysteme sein können, die mit
einer Vereinfachung der Realität einhergehen. Aus diesem Grund lehnt die
Sozialwissenschaft auch reine Begriffssysteme ab und fordert die Einbeziehung
von Introspektion.
Der Erklärensansatz propagiert einen Methoden-Monismus: Nur durch Aufstellung von
Hypothesen können Gesetze ergründet werden, die Erklärungen für die empirischen
Befunde liefern können. Wichtig für die Hypothesen ist dabei:
-
ein Informationsgehalt, der kritisch überprüft werden kann. Er ist umso niedriger,
je mehr Tendenzen statt Gesetze beschrieben werden.
-
der Bewährungsgrad, der nur bei grossen und repräsentativen Stichproben in
aussagekräftiger Höhe gewährleistet sein kann.
-
die Gesetzesartigkeit, die umso weniger gegeben ist, je mehr nur Vernunftgründe
angeführt werden können (wie z.B. in Psychologie).
-
die Vollständigkeit, die alle empirischen Befunde erklären kann.
In der Soziologie stellt sich hierbei anders als bei den Naturwissenschaften
das Problem, dass im sozialen Bereich nur statistische Gesetze wirken -
sei benötigt daher weitere Methoden als nur die Hypothesenbildung, um
empirische Befunde verständlich machen zu können, nämlich den
später vorgestellten Verstehensansatz.
Die Funktionsanalyse besagt, dass alle Phänomene, die in sozialen Systemen
(wie z.B. Organisationen) vorgefunden werden, wichtige Funktionen innehaben,
also nötig sind, damit das System überleben kann. Liefert uns das eine
befriedigende Information über die Ursachen der Phänomene? Nein, denn hier
wird:
-
die Ursache aus der Wirkung abgeleitet.
-
nicht erklärt, warum das soziale System nicht anders aufgebaut ist. Es könnte
ja u.U. eine äquivalente Lösung für ein Problem geben.
-
zu ideologisch gearbeitet, weil alles, was ist, eine Funktion für das
System haben soll (wenn man die Macht einzelner in diesem System
berücksichtigt, ist das sicher nicht immer gegeben). Jede funktionale
Erklärung vernachlässigt Machtaspekte!
Aber die Funktionsanalyse hilft durchaus, wenn man einzelne Funktionen aus dem
Zusammenhang ihrer sozialen Systemen lösen will, um sie so besser erforschen
zu können.
Die dialektisch-materialistische Erklärung geht von der Annahme aus, dass es
Muster mit universeller Gültigkeit gibt, die zu allen Zeiten wirken und daher
das Auftreten bestimmter sozialer Phänomene erklären können. Nach Marx wäre
ein solches universelles Muster z.B. das Axion, dass die ökonomische Basis
(Verfügungsrechte und Produktionsmittel) die Gesellschaftsform bestimmt.
Der Verstehensansatz geht auf Wilhelm Dilthey zurück, der behauptete, dass zwar
die Natur erklärbar sei, die Seele aber nur verstehbar. Denn das Handeln
von Individuen beruht nicht auf Gesetzen, sondern resultiert aus deren
Wertstrukturen, die sich aufgrund neuer Einsichten ständig ändern
können und nur durch Interpretation bzw. Introspektion zu ergründen
sind.
Als Beispiel sei hier der Versuch Max Webers genannt,
den Calvinismus als einen möglichen Grund für die Entstehung unseres kapitalistischen
Wirtschaftssystems anzuführen, indem er Zitate bringt, auf schriftliche Quellen
verweist, an die eigene Erfahrung appelliert und die Sinnhaftigkeit der empirischen
Befunde herauszuarbeiten sucht.
Wie am obigen Beispiel zu sehen ist, propagiert der Verstehensansatz anders
als der Erklärensansatz einen Methodenpluralismus; jede Methode ist
recht, sofern sie nur auf plausible Weise Licht ins Dunkle der menschlichen
Handlungen bringt. Paradebeispiel hierfür ist die Hermeneutik, also die
Lehre von der Interpretation schriftlicher Quellen, wo der sogenannte
"hermeneutische Zirkel" wirkt: Um Zeugnis A verstehen zu können,
benötigen wir Zeugnis B; um Zeugnis B verstehen zu können, hilft uns
dann das verstanden Zeugnis A weiter. Man müsste hier allerdings eher
von einer hermeneutischen Spirale reden, denn wir treten durch diese Methode
nicht auf der Stelle, sondern lernen "bei jeder Runde" immer wieder etwas
Neues dazu.
Das Verstehen hat qualitativen Charakter und sucht nach typischen
Einzelfällen. Das Erklären hat dagegen quantitativen Charakter und sucht
nach allgemeinen Tendenzen. Miteinander verbunden müssten sich die beide Ansätze
also grundsätzlich ergänzen.
Der kritische Rationalismus besagt dies auch; nach ihm gilt: Das Verstehen
ist nicht unwissenschaftlich, aber vorwissenschaftlich. D.h., es regt den
Forscher erst dazu an, Hypothesen zu bilden, die dann als wissenschaftliche
Erklärungen für empirische Befunde dienen können. Der Verstehensansatz kann
dabei helfen, Ursachen aufzudecken, weil Funktionsanalysen oft in einer reinen
Erklärung von Symptomen stecken bleiben. Zudem ist das menschliche Handeln -
anders als die Natur - durchaus Argumenten zugänglich, d.h., es kann beeinflusst
werden; der Verstehensansatz erleichtert hier das Auffinden einer Lösung, die
allen gerecht wird.
Der kritische Rationalismus nach Popper ging ursprünglich davon aus,
dass Theorien einfach tautologisch zu Technologien umzuformen sind. Die
Forscher spielten dabei nur eine instrumentale Rolle. Später jedoch wurde
erkannt, dass Theorien stets idealisieren, sodass Nebenwirkungen
nicht ausgeschlossen werden können. Das Postulat des wertfreien Forschens
musste relativiert werden, Theorien müssen demnach ideologiekritisch
überprüfbar sein, d.h., es muss feststellbar sein, welchen
Interessen sie dienen. Dazu müssen die Forscher ihre Basiswerturteile
aufdecken.
Der Verstehensansatz sieht den Forscher von vorneherein nicht als reines
Instrument an. Er soll stabile Handlungsmuster nicht einfach dazu benutzen, um
bestimmte praktische Handlungen zu erzeugen, sondern er soll das für alle
Beteiligten beste Verhalten ermitteln. Dazu müssen sich die Betroffenen
jedoch in einem annähernd herrschaftsfreien Diskurs austauschen (wie es
ähnlich auch von der Organisationsentwicklung gefordert wird).
Weder beim kritischen Rationalismus noch beim Verstehensansatz wird das
theoretische Wissen realistisch nutzbar gemacht. Denn die nach dem kritischen
Rationalismus Forschenden werden dahin gehend ausgewählt, dass ihre
Ansichten mit denen der Auftraggeber übereinstimmen, sodass deren
Theorie in der Praxis nur legitimierende Folgen hat. Die nach dem
Verstehensansatz Forschenden stehen dagegen vor dem Problem, dass ein
wirklich herrschaftsfreier Diskurs stets utopisch bleiben muss, dass also
immer auch im hohen Masse Mikropolitik betrieben wird.
Unser Fazit lautet: Organisationstheorien können die
bestehenden Verhältnisse kritisieren, sie können auch gute Gründe für
neue Gestaltungsmassnahmen nennen, rechtfertigen können sie diese jedoch
nie! Jedoch muss festgestellt werden, dass gerade die Ex-post-Legitimation
die derzeitige Hauptanwendung von Organisationstheorien darstellt.
Um eine Organisationstheorie zu analysieren, gehen wir in dieser Arbeit folgendermassen vor:
- Einordnung: Vorläufer, Begründer, Zeitgeschichte der Theorie benennen.
- Erkenntnisinteresse: Fragen nennen, die die Theorie lösen soll.
- Annahmen: Realitätsrestriktionen nennen, damit die Theorie erfüllbar ist.
- Grundkonzept: Strukturen zwischen (1), (2) und aufgrund von (3) aufzeigen.
- Hauptaussage: Wenn-dann-Aussagen formulieren, die sich aus der Theorie ergeben.
- Methoden: Empirische Beweisführung der Theorie darstellen.
- Anwendungsbereiche: Theorie-Erklärungen bzw. -Postulierungen aufzählen.
- Würdigung: Pro und Kontra der Theorie; stärkere Position als Abschluss nennen.
- Weiterentwicklung: Theorien benennen, die auf der analysierten aufsitzen.
Bürokratische Strukturen existieren seit dem französischen
Absolutismus, um effektiver Steuern eintreiben und verwalten zu können.
Erst im 19. Jahrhundert fanden Bürokratie grössere Verbreitung,
die sich abzeichnende Organisationsgesellschaft beschäftigte zunehmend die
Wissenschaft. 1821 kritisierte Freiherr von Stein die Bürokraten als
besoldete, interessenlose und eigentumslose Schreibmaschinen, die uns alle
regieren würden. J.S. Mill dagegen lobte die Professionalität der
Bürokratie, die daher dem gar nicht selbstlosen, vererbten Feudalismus
vorzuziehen sei - trotz der Gefahr der "Pedantokratie". Um die Demokratien zu
schützen, müssen nach G. Mosca den Beamten aber ehrenamtliche Kollegen
zur Seite gestellt werden, die sie kontrollieren können. Max Webers
Bürokratie-Modell schliesslich war der Höhepunkt all dieser
Bürokratie-Analysen.
Das Bürokratie-Modell will die folgenden Fragen beantworten: Was unterscheidet
Bürokratien von anderen (älteren) Verwaltungsformen? Wie wirken sie auf ihre
Mitglieder? Und sind die Teilnehmer nur kleine Rädchen oder können sie die ganze
Bürokratie ändern? Regieren die Herrscher oder die Bürokraten?
Eine bürokratische Struktur muss nach Weber folgenden Kriterien
genügen: Sie besitzt personenunabhängige Ämter, eine normierte
Amtsführung, die Aktenmässigkeit aller Vorgänge und eine
starre Top-down-Amtshierarchie.
Voraussetzungen für das Entstehen bürokratischer Strukturen sind
die Geldwirtschaft, die wachsenden kulturbedingten Ansprüche an den Staat
und die Konzentration der Macht/der Betriebsmittel in nur einer Hand (Staat).
Die Bürokratiebildung hängt zusammen mit dem Prozess der Rationalisierung.
Nach Max Weber findet die Rationalisierung auf drei Ebenen statt:
-
auf Ebene der Weltbilder: Hier wird zunehmend die Welt entzaubert. Vom
Animismus und Mythen kam man zum Monotheismus, die Renaissance förderte
das autarke Individuum, die Reformation in Form des Calvinismus die
Prädestinationslehre, wo Gott (fast) völlig von der Welt getrennt
wurde, und schliesslich institutionalisierte der Liberalismus den
Egoismus.
-
auf Ebene der Institutionen: Herrschaftssysteme etablieren sich
idealtypisch nur durch Tradition, charismatische Führung und durch
Legalisation, also in Form von (staatlichen) Bürokratien, die als einzige
Rationalität für sich beanspruchen können (weil sie
entmenschlicht und ohne Leidenschaft sind) und sich daher auch am ehesten
durchsetzen konnten.
-
auf Ebene der praktischen Lebensführung: Der Einzelne kann frei von
der Religion zunehmend nach eigenen Werten rational handeln. Daraus ergibt sich
allerdings ein Konflikt zur Bürokratie, die Weber als "stahlhartes
Gehäuse" bezeichnet, und die die Eigenverantwortung im Keim ersticken.
Dies betrifft in die Bürokratie integrierte ebenso wie Aussenstehende. Einziger
Ausweg nach M. Weber: charismatische Einzelführer, die den persönlich-menschlichen
Faktor in die Organisationssysteme zurückbringen. Andere Auswege nach A. Kieser:
Ausbruch aus der Bürokratie (Arbeitswechsel) oder eine Gegenbewegung schaffen (z.B.
in Form einer Bürgerbewegung).
Wenn bürokratische Strukturen in einer Organisation vorliegen, dann arbeitet diese
effizienter als eine Organisation mit älterer Verwaltungsform (was jedoch nicht
ausschliesst, dass es in Zukunft keine Alternativen zur Bürokratie geben wird).
Max Weber lehnt den Methoden-Monismus des reinen Erklärensansatzes (svw.) ab,
wie die folgende Auflistung zeigen wird. Deshalb hebt er den Gegensatz zwischen
Erklären und Verstehen auf, indem er über das Verstehen "Erklärungen" zum
sozialen Handeln abgibt, während das Verstehen Erfahrungen voraussetzt, die
ihrerseits erklärbar sind. Um das Handeln eines Individuums zu erklären,
ist sein subjektiver Sinn auf Basis dessen intersubjektiver Werte wichtiger,
als der tatsächliche, objektive Motivator, der dem Befragten daher auch
ruhig unbewusst sein kann.
Weber zeigt historische Entwicklungen nach dem Verstehensansatz auf (z.B. die
Rationalisierung der Weltbilder).
Er benutzt Idealtypen (z.B. Herrschaftstypen), die absichtlich
überspitzt formuliert werden, sodass sie keine Entsprechung in der
Realität besitzen, mit deren Erscheinungen jedoch graduell vergleichbar
sind, indem er den Grad der Abweichung von der konstruierten Richtigkeit
misst. Weber empfiehlt dazu Gedankenexperimente derart, dass man sich
fragt, was wohl gewesen wäre, wenn der Idealtyp gegolten hätte.
Das Bürokratie-Modell kann dazu dienen, Parallelen zwischen
Bürokratien und der Kapitalwirtschaft aufzuzeigen: Der Staat monopolisiert
über die Bürokratie zunehmend die institutionelle Macht in seinen
Händen, Grossunternehmen schlucken zunehmend Kleinbetriebe und
konzentrieren die wirtschaftliche Macht in ihren Händen.
Es können Plausibilitätsgründe für die höhere
Effizienz von Bürokratien gegenüber anderen Verwaltungsformen genannt
werden, so z.B. die Rationalität, die Maschinenartigkeit, die hier
verwirklichbare Arbeitsteilung und die Unpersönlichkeit, die mehr
sachliche als politische Energie freisetzt.
Der Konflikt der persönlichen Rationalität mit der
Bürokratie-Rationalität unterdrückt die Eigenverantwortung und
wirkt sich - so postuliert Weber - gesamtgesellschaftlich negativ aus. Als
Ausweg nennt er die Notwendigkeit von charismatischen, selbstverantwortlichen
Führern, die die Erstarrung der sozialen Beziehungen aufsprengen können.
Daher plädierte Weber auch für die Direktwahl von politischen Führern.
Weber bedachte bei seiner charismatischen Führer-Bejahung, die sogar
demagogische Mittel zum Machtgewinn ausdrücklich billigte, nicht die
dadurch geförderten faschistischen Auswüchse, wie sie sich in
Nazi-Deutschland alsbald bewahrheiten sollten.
V.a. die Protestantismus-These griff man an; Weber wurde hier jedoch meist
eine kausale Behauptung imputiert. Doch die protestantische Ethik stellte
seiner Meinung nach bloss eine wichtige Facette zur Entstehung des
Kapitalismus dar.
Breite Zustimmung fand dagegen die Selbstverantwortungsreduzierung (z.B. Herbert
Marcuses "eindimensionaler Mensch", d.h. Fachmensch), die de facto aber nicht
gegeben ist. Im Gegenteil, die Innovationsfreudigkeit, die Eigeninitiative und
Eigenverantwortung voraussetzt, hat unter bürokratischen Strukturen eher
zugenommen. Ingrid Lohmann erklärt das als Folge des Teilhabe-Charakters
von Organisationen, der es Mitglieder freistellt, sich seine Organisation zu
wählen. Ausserdem erfasst eine ausgeweitete Bürokratie auch die abweichende
Meinung und ermöglicht es dadurch erst, sie in innovativer Weise in den
Organisationsprozess einbringen zu können.
Die bürokratische Struktur besitzt zahlreiche Mängel, die ihre
allgemeine (!) Effizienz anzweifeln lassen: Sie sind starr/unflexibel, die
Regeln werden wegen Genauigkeitswahn zu Selbstzweck, Machtkämpfe bleiben
bestehen, die Aktenmässigkeit erhöht nicht die Geschwindigkeit,
die Stellen vermehren sich wie von alleine und es kommt häufig zu
Konflikten zwischen Spezialisten und Bürokraten (weil hier zwei
grundverschiedene Menschentypen vorliegen).
Max Weber war nicht nur der Begründer der Soziologie, sondern mit dem
Bürokratie-Modell auch der Wegbereiter der modernen
Organisationstheorien.
Hans-Ulrich Wehler weist darauf hin, dass der charismatische Führer nicht das
geeignete Mittel ist, die Bürokratie zu entstarren und menschlicher zu
gestalten (wohl aufgrund des Machtpotenzials, welches dem Führer damit zufällt).
Geeigneter sind seiner Meinung nach demokratische Verständigungsprozesse
zwischen den Betroffenen und den Gestaltern.
Der Bürokratie-Idealtyp wurde differenziert, indem seine konstanten
Kriterien allmählich in Variablen gewandelt wurden, wodurch sie
statistischen Analysen wesentlich zugänglicher waren. Dieser Vorgang
leitete die vergleichende Organisationsforschung ein, die auch den Situativen
Ansatz beinhaltet.
Managementlehren existieren, seit sich der Mensch bewusst mit der
Gestaltung von Arbeit beschäftigt. Z.B. wurde ein Management-Leitfaden
gefunden, der aus der Zeit des Pyramidenbaus stammte. Im alten Griechenland
wurden im Takt von Flötenmusik hoch spezialisierte Aufgaben ausgeführt. Der
Merkantilismus wollte durch Verbreitung von Management-Leitfäden für
Manufakturen die Volkswirtschaft stärken. Charles Babbage formulierte 1832
sein Prinzip von der Spezialisierung und der dadurch wegen der unqualifizierteren
Arbeit anfallenden geringeren Personalkosten. Die Fayolsche Brücke forderte die
Einheit der Auftragserteilung und damit nicht anderes als das Einliniensystem. Die
Technik wurde weiterentwickelt. Durch die Ost-Einwanderer standen die USA aber
vor dem Problem, zu wenig qualifizierte Arbeitskräfte zu haben. Hier fand
schliesslich der Taylorismus, der eine Allianz mit dem Fortschritt
eingegangen war - fruchtbaren Boden.
Die Managementlehre antwortet auf die Frage: Welche Organisationsprinzipien
gibt es, um die Gestaltung von Arbeit vorzunehmen?
Das Scientific-Management (Taylorismus) antwortet u.a. auf die Fragen: Welche
Änderungen an der Organisationsstruktur sind in welchem Masse bei
welcher Situation vorzunehmen, um die Arbeitsorganisation optimal zu gestalten?
Wie kann man die Kontrolle der Manager über die Arbeiter erhöhen,
ohne dass diese sich gegen die Manager wenden?
F.W. Taylor ging u.a. von folgenden ungeprüften
Annahmen aus:
- Der Mensch ist von Natur aus faul.
- Er wird nur durch Konsum glücklich.
- Er arbeitet nur, wenn ihm Geld angeboten wird.
- Für Ingenieure gilt Obiges nicht (!), daher gestalten sie die Arbeit.
- Arbeitsteilung erhöht die Effizienz.
- Scientific-Management-Wissen ist besser als Faustregel-Wissen.
- Unpersönliche Kontrolle durch Pläne/Programme ist besser als die persönliche.
Die Managementlehre sammelt bewährte Faustregeln und erhebt sie zu
allgemeingültigen Organisationsprinzipien. Z.B. "Spezialisierung ist gut",
weil die Arbeit dadurch nach Adam Smith produktiver und nach dem Babbage-Prinzip
auch billiger wird.
Das Scientific-Management verzichtet auf Faustregeln, und sucht stattdessen
über wissenschaftliche Experimente die optimale Lösung für ein
Problem, um so letztlich eine rationale Arbeitsorganisation zu erhalten. Dazu
muss nach Taylor aber ein strategisches Programm eingehalten werden:
-
Trennung von Hand- und Kopfarbeit, um die Kontrolle zu erhöhen (z.B.
Funktionsmeistersystem als Alternative zum Fayolsche Einliniensystem). Das
Erfahrungswissen der Arbeiter soll zum alleinigen Wissen der Ingenieure
werden.
-
Pensum, Bonus und Bestrafungen festlegen, um Arbeiter bei Laune zu halten
(z.B. Stücklohn, statt Zeitlohn).
-
Auslese und Anpassung der Arbeiter, um sie bedürfnisgerecht einsetzen
zu können.
-
Versöhnung zwischen Arbeitern und Unternehmern durch die Herrschaft
von Experten, die unabhängig und rational optimale Lösungen
ausarbeiten.
Wenn man die Organisationsprinzipien der Managementlehren einsetzt, dann
kommt man schnell zum Ziel und verhindert grundsätzliche Fehler.
Wenn man das Scientific-Management anwendet, dann verwirklicht man eine
systematische Optimierung der Arbeitsorganisation.
Die "Methode" der Managementlehre besteht darin, bewährte Praxis zu
identifizieren und diese in Regel (Organisationsprinzipien) zu fassen, sodass
andere sie ebenfalls verwirklichen können.
Das Scientific-Management propagiert die Methode des "wissenschaftlichen"
Experiments zur Auffindung optimaler Lösungen für organisatorische
Probleme. Eingebettet ist das Experiment in das strategische Programm Taylors.
So wird z.B. über Zeitstudien-Tests herausgefunden, welche
Schaufelgrösse für eine bestimmte Arbeit die beste ist.
Ein Arbeiterbüro sollte jedem (amerikanisch-typisch unqualifizierten)
Arbeiter eine Tagesarbeit zuweisen und ihm den dadurch erreichbaren Lohn
vorrechnen. Der Meister sollte nur noch eine Kontrollfunktion innehaben, der
nach dem Erfolg seiner Mitarbeiter bezahlt wird.
Die Managementlehre gibt eindeutige Regeln vor, die schnell in die Praxis
umgesetzt werden können und so u.U. schnell zum Erfolg führen. Solche
Kochrezepte liebt jeder Manager.
Der Taylorismus gestattet es, unqualifizierte - ja sogar hauptsächlich
unqualifizierte! - Arbeiter bedürfnisgerecht und im Sinne der Organisation
effizient einzusetzen.
Der Taylorismus ermöglicht die optimale Ausnutzung vorhandener
organisatorischer Gegebenheiten, um so die Betriebs-Produktivität zu
erhöhen. Das Plus an Gewinn würde sich positiv auf alle Beteiligten
auswirken, sodass Gewerkschaften ihren Wert verlieren würden (die
Verteilung allerdings ist ein politisches Problem und solche Probleme werden
von den jeweils Mächtigeren immer in ihrem Sinne gelöst).
Die Organisationsprinzipien der einfachen Managementlehre sind generell
einfach gehalten, woraus für die Praxis eine hohe Attraktivität
resultiert. Dies alleine macht sie jedoch noch nicht effizient. Die
Organisationsprinzipien erheben den Anspruch, allgemeingültig zu sein,
unabhängig vom situativen Kontext der Organisation. Sie sind
ausserdem wertgeladen: Sie fordern stets Maschinenartigkeit,
Arbeitsteilung, Formalisierung und Herrschaftssicherung. Und zuletzt sind sie
vergangenheitsorientiert, da sie sich nur auf Bewährtes stützen.
Das "wissenschaftliche" Experiment statt Organisationsprinzipien ist
anpassbarer an die Situation und damit auch allgemeiner gültig. Das
strategische Programm wirkt dagegen ähnlich wie die
Organisationsprinzipien und beschränkt den Scientific-Management-Einsatz;
so findet er nur in grossen Betrieben mit Serienproduktion statt. Negativ
ist weiter, dass der Taylorismus mit hohem Reorganisationsaufwand
verbunden ist, das mittlere Management sich aufbläht (Mehrliniensystem),
und gewerkschaftliche Opposition geradezu herausgefordert wird. Die Angst des
Topmanagements, über das Arbeitsbüro, und des mittleren Managements,
über die Experten Macht zu verlieren, bewahrheitete sich durch Druck auf
die Tayloristen nicht. Der Taylorismus ist theorielos, denn er benutzt
Experimente nicht zum Beweis von Hypothesen, sondern um Lösungen
auszuarbeiten. Seine Annahmen werden nicht geprüft, seine Methoden nur
durch Taylors eigene Erfahrung empirisch gestützt, seine Stichproben sind zu
klein und unrepräsentativ (keine Zufallswahl bzw. nur Betrachtung von
Extremsituationen) und die untersuchten Zeiträume zu klein. Er wirkt
generell nur in kleinen Teilbereichen der Organisation, ist
herrschaftszementierend, seine Prämien sind gesundheitsschädliche
Überanstrengungsbelohnungen, der arbeitende Mensch wird auf das Messbare
reduziert, er wird systematisch dequalifiziert, seine Arbeit damit
monotoner und automatisierungsgefährdeter. Allerdings erhöht er auch
die Kontrolle des Managements über die Arbeiter und die Produktivität.
Aus dem Taylorismus entstand (an den Universitäten) die moderne
Arbeitswissenschaft, das Fertigungsingenieurwesen und das Operations Research.
Der Fordismus - der bis zu einem gewissen Grad vom
Taylorismus inspiriert wurde - erlangte für die Produktrationalisierung wesentlich
mehr Bedeutung als das Scientific-Management. Wo Taylor noch die Experten Pläne
ausarbeiten lässt, da programmiert Ford die Arbeitsorganisation in Fliessbänder
hinein und lässt nur bestimmte Produkttypen (ohne Variationen) fertigen. Durch
diese Massnahme blähte sich das mittlere Management nicht so auf, wie es beim
Taylorismus beobachtet wurde.
Die REFA, der Verband für Arbeitsgestaltung, Betriebsorganisation und
Unternehmensentwicklung, wendete den "germanisierten" Taylorismus in
Deutschland an, d.h., sie verzichtete nicht auf eine typische Stärke des
deutschen Arbeitsmarktes (entgegen den ursprünglichen Zielen des Taylorismus:
den qualifizierten Facharbeiter bzw. Meister. Auf übermässige Spezialisierung
und Mehrliniensysteme wurde in Deutschland also (zum Glück) nie so grosser
Wert gelegt.
CIM (Computer Integrated Manufacturing) soll über elektronische Informations-
und Steuerungsmittel helfen, den relativ starren Strukturen, auf die die
tayloristische Methode hinausläuft, etwas mehr Flexibilität einzuhauchen.
Der Situative Ansatz ist geprägt vom Rationalismusgedanken des Taylorismus,
sucht aber weit weniger als dieser nach optimalen Lösungen, sondern vielmehr
nach situationsabhängigen Gestaltungsmöglichkeiten für die Manager.
Eindeutige Regeln gibt dagegen das Harzburger-Modell von Reinhard Höhn vor.
So verlangt dieses exakte Stellenbeschreibungen, und dass Entscheidungen von
den Mitgliedern tiefer Ebenen selbst zu treffen sind, wodurch das Topmanagement
von Routinearbeiten entlastet wird und die Untergebenen unpersönlicher geführt
werden können. Im Kern bleibt das Modell jedoch autoritär: Bei grösseren
Problemen entscheidet letztlich immer doch alleine der Vorgesetzte. Der Erfolg
des Modells endete in den 70ern, als die zunehmend dynamischer werdende Umwelt
neue Lösungen forderte.
Das Management by Objectives-Konzept (zu Deutsch: Führung durch Zielvereinbarung)
löste das Harzburger-Modell ab: Statt fixer Stellenbeschreibungen sollten hier
die Ziele der Arbeit mit dem Vorgesetzten zusammen vereinbart werden.
Um die Mitglieder in flexibler Weise und doch im Sinne der Unternehmenspolitik
zu steuern, erlebte zwischendurch die Idee der Organisationskultur einen rasanten
Aufschwung.
Generell lässt sich sagen, dass alle sogenannten umfassenden Organisationskonzepte
(die so umfassend gar nicht sind, weil sie sich immer nur einem Hauptproblem zuwenden),
meist nur kurzlebige Modeerscheinungen sind, die bald wieder von einem anderen Konzept
verdrängt werden.
Bereits während der Industrialisierung musste das Unternehmertum
feststellen, was es bedeutet, nicht auf die Bedürfnisse der Arbeiter
einzugehen, und zwar in Form der Sozialdemokratie als Folge des
Manchester-Liberalismus. Anfang des 19. Jahrhunderts empfahlen Manager-Zeitschriften,
menschliche Beziehungen zu den Arbeitern aufzubauen. 1920 wurde in den USA
sogar ein Typ von Manager propagiert, der von seinen Arbeitern lernen soll
(vermutlich aus Angst vor dem Bolschewismus)! Rosenstock wollte räumlich
getrennte und rechtlich selbstständige Produktionsstätten
verwirklichen. Etwas weniger revolutionär gab sich Windschuh, der die
Einführung eines Sozialsekretärs als Puffer zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern nahelegte. Die Hawthorne-Experimente (1924) legitimierten damit also
nur noch die Berücksichtigung menschlicher Beziehungen in der Arbeit, die
sie zuerst sogar als zu kontrollierende Störfaktoren deklarierten. Im Zuge
der daraufhin entstehenden Human-Relations-Bewegung wurde die
Organisationspsychologie aus der Taufe gehoben; sie untersucht das sehr komplexe
Gebiet des Verhaltens von Mitgliedern in Organisationen. Und fortan lagen
Taylorismus und Human-Relations-Bewegung im Widerstreit um die Auffindung der besten
Arbeitsorganisation.
Bereits die Tayloristen fragten sich, worauf die Human-Relations-Bewegung antworten
will: Warum ändern die Mitglieder einer Organisation ihr Verhalten bisweilen in
Effizienz steigernder Form, obwohl eigentlich nur nicht objektiv messbare
Strukturänderungen vorgenommen wurden?
Die Organisationspsychologie fragt konkreter: Wie führt und motiviert man
Arbeiter gleichzeitig? Wie erreicht man Arbeitszufriedenheit? Wie psychologisch
belastend ist die Arbeit? Wie unterscheiden sich Entscheidungen von Individuen
und Gruppen? Lässt sich Technik human gestalten? Wie ist ein Konfliktmanagement
zu verwirklichen?
Die Human-Relations-Bewegung nimmt an, dass Beziehungen zwischen Vorgesetzten
und Arbeitern und Arbeitern untereinander deren Zufriedenheit erhöhen, die sich
dann i.d.R. durch erhöhte Arbeitsamkeit ausdrückt und also die Produktivität zu
steigern vermag.
Die Human-Relations-Bewegung propagiert einen Weg-Ziel-Ansatz, bei der der
Führer nicht nur den Weg zur Erreichung des Ziels vorgeben soll, sondern
auch selbst die Belohnung danach durchzuführen hat, um so die Produktivität
zu steigern.
Wenn eine personenorientierte und sachorientierte Führung vorliegt,
dann wirkt sich dies positiv auf die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter aus
und damit auch auf die Produktivität des Unternehmens. D.h., nicht die
Arbeit selbst muss geändert werden, sondern die Bemühung um den
Arbeiter durch die Vorgesetzten.
Reinhard Bendix verglich die Human-Relations-Methoden - den Aufbau von Beziehungen
zwischen Arbeitern und Vorgesetzten - mit den höfischen Manieren des
Mittelalters: man tut zwar offiziell lieb, bringt einen aber dennoch hinterrücks
um die Ecke.
Die Organisationspsychologie erweitert das Methodenarsenal zur Schaffung
rationaler Organisationsgestaltung, da es Methoden an die Hand gab, mit der die
Motivation und Arbeitszufriedenheit gemessen werden konnte. Sie setzt u.a.
Interviews ein, tayloristische Experimente mit Änderung einzelner Faktoren
oder Psychologie-Tests, um so Eignungen feststellen zu können (v.a. in
Deutschland herrscht seitdem eine grosse Testgläubigkeit).
Der Human-Relations-Ansatz verlangte in erster Linie eine Änderung des
Verhaltens der Vorgesetzten gegenüber ihren Mitarbeitern. Dazu mussten
sie geschult werden, um Zuhören zu können, um nicht direktiv zu wirken.
Es wird gezeigt, warum die Abgabe von Kontrolle durch das Management u.U. zu
einer erhöhten Produktivität führen kann, weil dann die Arbeiter motivierter
sind und mehr Eigenverantwortung entwickeln. Es wird daher für eine
Organisationsstruktur geworben, die gegenläufig zu der des Taylorismus ist
und dennoch erfolgreich(er) sein kann.
Die Organisationspsychologie bzw.
Human-Relations-Bewegung lässt den Experten bei der Interpretation der Ergebnisse
viel Raum für Humbug, etwa derart, dass ein Klassenkampfbewusstsein bei Arbeitern
eine Art Defekt sei, der einer Therapie bedürfe. Meist unterliegen diese Ansätze
auch dem Zeitgeist und "beweisen" Dinge, die sie von vorneherein beweisen wollten -
sie überprüfen Hypothesen also nicht im Popperschen Sinne auf Falsifikation hin,
sondern streben vielmehr eine Verifikation derselben an (was nach dem Kritischen
Rationalismus prinzipiell schon gar nicht möglich ist). Tendenziell wurde z.B.
der Wert des Lohns für die Arbeitszufriedenheit heruntergespielt. Hier zeigt sich
eine generelle Gefahr: In praktischer Anwendung wird die Wissenschaft immer auch
in politischer Weise eingesetzt (unheilige Allianz von Forschern und Praktikern)!
Die Organisationspsychologie ist so komplex, dass die von ihr
längst ad acta gelegten einfachen Theorien oft in der Praxis Verwendung
finden, wie z.B. die Persönlichkeitstheorie, die besagt, dass
Führer gewisse Eigenschaften besitzen müssen, um Führen zu
können; dies lässt sich aber schon deswegen nicht
bestätigen, da Menschen gleiche Eigenschaften (wie Intelligenz) auf
unterschiedliche Weise einzusetzen pflegen.
Hugo Münsterbergs "Psychotechnik", bei der Arbeiter nach ihrer Eignung und
ihren Bedürfnissen hin getestet und eingesetzt wurden, verband den
Taylorismus mit der Human-Relations-Idee. Erfolg war ihr trotzdem nicht
beschieden; doch vielleicht lag das auch an Münsterbergs bisweilen etwas
schrägem Instrumentarium, welches sogar - um den Schlaf zu sichern - eine
allabendliche Alkoholvergiftung der Arbeiter gut hiess.
Die Organisationsentwicklung (OE) nach Kurt Lewin (1949) vereinfacht die
Organisationspsychologie, indem sie nicht von aussen über Experten
eine bedürfnisgerechte Organisationsstruktur entwickeln will, sondern dies
die Betroffenen selbst ausführen lässt. Das Motto heisst: Betroffene zu
Beteiligten zu machen. Die OE-Experten sollen nur Hilfe zur Selbsthilfe geben
durch Sensitivitätssteigerung und Teamfähigkeitstraining. Dabei wird nach einem
Drei-Phasen-Schema vorgegangen: Auftauen, Änderung und Einfrierung der Strukturen
mithilfe von externen Prozessberatern, Survey-Feedback und Konfliktmanagement.
Leider schafft dieses Konzept nur einen Deckmantel der Harmonie, einen sozialen
Tarnmantel, denn real sind die Einflussmöglichkeiten der Betroffenen begrenzt,
da sie u.a. gar nicht die nötigen Kenntnisse zur echten Beteiligung besitzen.
Verdächtig ist auch, dass der Begriff der Humanität nicht operationalisiert wird,
sodass sich das Ergebnis der OE mithin gar nicht objektiv messen lässt.
In Deutschland sorgten 1973 die Gewerkschaften für die sogenannte Humanisierung
der Arbeit, die die Selbstverwirklichung in der Arbeit fordert. In grenzenloser
Überschätzung der Sozialwissenschaften forderte daraufhin sogar das
Betriebs-Verfassungsgesetz, die arbeitswissenschaftlichen Ergebnisse zu beachten.
Allerdings zeigte die Humanisierung der Arbeit auch, dass die Arbeitsgestaltung
eine Determinante der Arbeitszufriedenheit ist.
Mit der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie beschäftigte sich zuerst
C. Barnard (1938), danach March/Simon (1958), und dann Cyert/March (1963).
Untersucht werden hier nicht die Strukturen von Organisationen und ihre
Wirkung auf die Mitglieder, sondern wie Entscheidungsprozesse in Organisationen
ablaufen. Verhaltenswissenschaftlich ist die Theorie deshalb, weil nicht
logische, sondern menschliche Entscheidungen im Vordergrund stehen. Es wird
v.a. die formale Organisation untersucht, um so die Entscheidungsprozesse
aufzuspüren, die in allen Organisationen beim Topmanagement
gleichermassen vorkommen.
Gefragt wird dazu: Wie passen sich Organisationen durch menschliche
Entscheidungen an ihre Umwelt an? Wie rational können diese Entscheidungen
sein? Wie bringt man die Teilnehmer dazu, etwas für die Organisation zu
tun? Wie treffen Individuen Entscheidungen? Wie werden diese von der
Organisation beeinflusst?
Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie zeichnet sich durch
zahlreiche Prämissen aus:
-
Der Mensch hat nur eine begrenzte Informationsverarbeitungskapazität
(im Gegensatz zur klassischen Entscheidungstheorie).
-
Der Mensch setzt sich nur begrenzt für eine Organisation ein, weil
eine prinzipielle Differenz zwischen menschlichen und organisatorischen
Bedürfnissen bzw. Zielen besteht. Er hat laut Barnard eine individuelle und
eine organisatorische Persönlichkeit.
-
Der Mensch ist in die Umwelt integriert, kann an der Organisation also nur
als Teilnehmer beteiligt sein (z.B. als Mitglied oder als Kunde). Eine
Organisation besteht also nicht aus Menschen!
-
Auch Maschinen gehören nicht zur Organisation, sondern zur Umwelt.
-
Formale Organisationen sind unpersönliche Handlungssysteme, d.h. ein
Wechsel der Teilnehmer bedingt keine Änderung der Organisation.
-
Organisatorische Entscheidungen beruhen nicht auf individuelle
Entscheidungen, sondern auf Entscheidungsprozessen.
-
Herrschaft ist begrenzt, da Teilnehmer nur zum Teil an Organisationen
teilnehmen und sie meistens einen Informations-Vorsprung gegenüber
Vorgesetzten besitzen.
Konzept der begrenzten Rationalität: Individuen entscheiden wegen ihrer
begrenzten Informationsverarbeitungskapazität nicht rational. Daher
benutzen sie Entscheidungsregeln (Selektion der Realität, nur Niveau-Ziel
formulieren, Modellierung der Umwelt) oder benutzen bei Routineaufgaben
habituelles Verhalten. Organisationen setzten für eine rationale
Verhaltenserreichung die - i.d.R. evolutionär trial-and-error-gewachsenen,
nicht verordneten - Instrumente Arbeitsteilung, Standards (Programme,
Pläne), Herrschaft/macht, Indoktrination und Kommunikation (Kanäle
enthalten nur selektiv-wichtigen Informationen) ein.
Das Konzept vom Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht: Die Organisation hat eigene,
von Personen unabhängige Ziele, wie z.B. die Bestandssicherung. Sie ist
ein Handlungssystem, in dem die Teilnehmer koordinierte, unpersönliche
Beiträge leisten und dafür Gegenleistungen erhalten. Befriedigung und
Belastung müssen gleichgewichtig sein, damit sie überleben kann. Dazu
muss sie sich der komplexen, veränderlichen Umwelt ständig
anpassen. Die Befriedigung wird erreicht durch (1) materielle oder immaterielle
Vergütungen oder durch (2) Beeinflussung der Teilnehmer dahin gehend,
dass ihnen die Vergütungen als Anreiz genügen, z.B. durch
gewaltorientierte Herrschaft oder - effektiver - durch machtorientierte
Indoktrination. Dadurch wird die Indifferenzzone definiert, innerhalb derer
die Teilnehmer Herrschaft gestatten.
Zielbildungsprozess von Cyert/March: Die Organisationsziele sind das
Resultat eines (formalen) Prozesses, in dem die Teilnehmer ihre individuellen
Ziele ausgehandelt haben. Eigentlich sind aber nur aktive Koalitionen
zielbildend, die anderen (z.B. Aktionäre) bekommen stattdessen
Ausgleichszahlungen. Zielkonflikte werden nicht ausgeräumt, aber über
Quasi-Lösungen gemildert. In den einzelnen Abteilungen werden dann
Anspruchsniveaus gesetzt und die Zieldurchsetzung lokal rational angegangen.
Die Organisation wirkt auf die unsichere Umwelt durch Stabilisierung (z.B.
durch langfristige Verträge), durch bestimmtes Suchverhalten (alte
Lösungen werden nur wenig geändert, um mit der neuen Umwelt
fertig werden zu können) und organisatorischem Lernen (Organisationen als
adaptiv rationale Systeme).
Fazit: Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie sieht Manager
als eine Art Busfahrer an, die, wenn sie in die falsche Richtung fahren, ihre
Fahrgäste, sprich Mitarbeiter, loswerden. Organisationen bekommen dadurch
einen sehr funktionellen Charakter.
Wenn Menschen an einer Organisation teilnehmen, dann findet eine durch
Anreize auszugleichende Entpersönlichung statt, weil die Organisationsziele
den eigenen Zielen oft konfliktär gegenüberstehen.
Eingesetzt werden häufig Fallstudien (z.B. Untersuchungen der Daten des
Rechnungswesens), bei denen komplexe und innovative Entscheidungsprozesse bzw.
die Fülle der Einzelentscheidungen nachgezeichnet werden.
Neuere Untersuchungen, insbesondere durch Vertreter des Mülleimer-Modells,
nehmen sich mit Vorliebe die vielschichtigen und schlecht-strukturierten
Entscheidungsprozesse von Universitätsverwaltungen vor.
Zunehmend werden auch Simulationen eingesetzt, um z.B. bestimmte Entscheidungen
postulieren zu können. Insbesondere der Aufschwung der Künstlichen Intelligenz
(KI) eröffnet hier neue Chancen. Allerdings ist die Prognosefähigkeit von
Simulationen wegen der Komplexität der Realität recht begrenzt.
Zeigt die Bedeutung von Akteuren auf den verschiedenen Hierarchiestufen
für die Entscheidungsfindung auf, sowie die Beeinflussung der
Entscheidungen durch günstige Gelegenheiten, was die strategischen
Planungsentscheidungen des Topmanagements relativiert.
Zeigt auf, dass Ziele und Probleme entkoppelt zu betrachten sind, d.h.,
dass Ziele nicht immer auf die Lösung von Problemen ausgerichtet sein
müssen, und dass sich Ziele auch oft erst nach den Handlungen der
Teilnehmer herauskristallisieren.
Zeigt auf, dass Entscheidungen nicht rational sind und auf Prozessen
beruhen, sondern häufig nur bestimmte Regeln befolgen. Dadurch lassen sich
auch die Organisationsstrukturen funktional erklären: Es gibt sie, weil
durch sie erst eine Systemrationalität ermöglicht wird.
Der Teilnehmerbegriff ist zu ausgeweitet. Es wird z.B. nicht zwischen Kunden
und Mitgliedern unterschieden, obwohl nur Letztere ein Herrschaftsverhältnis
eingehen, also akzeptieren, dass ihr Verhalten von anderen bestimmt wird.
Mehrdeutige Situationen (organisierte Anarchien), bei denen man
Lösungen besitzt, die man keinem Problem zuordnen kann, finden kaum
Berücksichtigung. Da die Umwelt aber nur eine unvollkommene Technik
bietet, die Menschen nur beschränktes Wissen aufweisen, Misserfolge
u.U. wegen nicht operationalisierbarer Ziele gar nicht erkannt werden, sind
programmgesteuerte oder linear-kausale Entscheidungsprozesse ineffektiv.
Die Fallstudienmethode leidet unter dem Generalisierungsproblem.
Da nicht alle menschlichen Entscheidungen nachvollziehbar sind, besteht die
Gefahr von Ex-post-Rationalität, die mit subjektiv gefärbten Interpretationen
einhergehen.
Machtasymmetrien und Gesellschaftswirkungen werden
bei der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie vernachlässigt (sie
sträubt sich aber auch nicht dagegen). Grund ist der illusorische Glaube,
dass Macht nur von unten verliehen wird, und dass Unzufriedene jederzeit das
Handtuch werfen können.
Es wird zu oft funktional argumentiert: Alles ist gut, sofern es nur das
Überleben der Organisation sichert - also auch die Bürokratie, weil
sie die Entscheider entlastet, und die Herrschaft, weil sie die Teilnehmer
steuert. Dies gilt aber nicht immer, so z.B. nicht für die allgemeine
Wohlfahrt.
Die komplexen Ansätze der verhaltenswissenschaftlichen
Entscheidungstheorie besitzen einen starken Einfluss auf die
Weiterentwicklung der Organisationstheorien.
Organisationen werden von den Personen getrennt betrachtet, woraus folgt,
dass keine natürliche Bedürfnisharmonie wie beim Taylorismus
bzw. Human-Relations-Ansatz besteht oder bestehen muss, sondern dass
die Zwecke der Organisation den Teilnehmern erst eingeflösst werden
müssen.
Das Mülleimer-Modell von Cohen, March und Olsen von 1972 sieht vor, alle
Lösungen, Probleme, Gelegenheiten und Teilnehmergegebenheiten in einem
"Mülleimer" entkoppelt (!) zu sammeln und dann darauf zu warten, dass
zufällige (oder besser: durch die Organisation und die Gesellschaft
bedingte, in der Anarchie Ordnung bildende) Ströme dafür sorgen,
dass die Mülleimer-Elemente sich in passender Weise finden. Dadurch
werden mehrdeutige Situationen bearbeitet, in denen unvollkommenes Wissen
regiert und wechselnde Teilnehmer mit unklaren Zielen zu berücksichtigen
sind. Entscheidungen fallen hier durch Problemflucht (vorher nicht lösbares
Problem existieren dann nicht mehr durch neue Gegebenheiten), durch Übersehen
des Problem bildenden Faktors oder durch einen normalen Problemlösungsprozess.
"Technology of Foolishness": Entscheidungen werden weniger rational getroffen,
als vielmehr gute Praxis einfach ad hoc auf bestimmte auftauchende Probleme
angewendet. Die Intuition soll die Rationalität mit ihren klaren Zieldefinitionen
und dadurch bedingten Invarianzen ersetzten, das Gedächtnis wird als Feind
hingestellt. Hier wird ein Weg aufgebaut, um der westlichen Rationalität zu
misstrauen - und dieses Misstrauen ist auch nicht unberechtigt, wenn man sieht,
dass damit offenbar nicht alle Umweltprobleme zu lösen sind, und die östliche
Rationalität, die differenzierender ist, die erfolgreichere zu werden droht.
Das Bürokratie-Modell von Max Weber wies auf Merkmale von Organisationsstrukturen
hin. Es wurde festgestellt, dass diese Merkmale in so vielfältigen Ausprägungen
auftreten können, dass sie nicht alle zu Idealtypen im Weberschen Sinne geformt
werden können. Die Strukturdimensionen mussten vielmehr variierbar bleiben -
ähnlich wie beim Taylorismus (der aber nur die Arbeitsorganisation betrachtet,
nicht die ganze Organisation an sich). Die Situation wurde zunächst noch
als eindimensionaler Faktor gesehen, etwa bei der Fertigungstechnik von Joan Woodward
1958. Die Sozialwissenschaften und der kritische Rationalismus forderten in den
70ern dann aber weiterführende empirische Analysen zur Bewährung von Hypothesen.
D.S. Pugh und die Aston-Gruppe folgten diesem Weg - und berücksichtigten erstmals auch
mehrere Situationsvariablen, wodurch der Situative Ansatz seine heutige Form
gefunden hatte.
Beim Situativen Ansatz stehen nicht wie bei der verhaltenswissenschaftlichen
Entscheidungstheorie die Entscheidungsprozesse im Vordergrund, sondern wie bei
der Managementlehre die Organisationsstrukturen.
Der Situative Ansatz fragt: Wie sehen Organisationsstrukturen aus, die sich
in bestimmten Situationen bewähren?
-
Die formale Organisationsstruktur hat starken Einfluss auf das
Verhalten der Mitglieder und damit auf die Effizienz der Organisation.
-
Es existieren keine solchen universellen Strukturen, wie sie die
Organisationsprinzipien suggerieren: Sie müssen der Situation
angepasst sein, um erfolgreich zu sein.
-
Es existiert nur eine lebensfähige Struktur zu einer bestimmten
Situation ("fit"), weil ein gewisses Mass an ökonomischer Effizienz
nötig ist zum Überleben.
-
Die Situationsfaktoren sind als gegeben zu betrachten.
Der Situative Ansatz geht einher mit dem Programm der vergleichenden
Organisationsforschung:
-
Entwicklung einer operationalisierten Konzeption der Strukturen, die aus
Webers Bürokratiemodell abgeleitet wurde.
-
Entwicklung einer operationalisierten Konzeption der Situation, die aus
keiner Theorie abgeleitet wird.
-
Entwicklung einer operationalisierten Konzeption des individuellen
Verhaltens bzw. der Organisationseffizienz.
Wenn die Organisationsstrukturen der Situation angepasst sind, dann
sind diese Organisationen erfolgreich, da das Verhalten der Mitglieder
bedürfnisgerecht steuerbar ist.
Einsatz von Hypothesen (die aber nicht aus einer Theorie abgeleitet sind!)
über die Auswirkung der Situation auf die Strukturen und die Auswirkungen
von Situation+Strukturen auf Verhalten+Effizienz, um empirisch gestützte
Plausibilitätserklärungen abgeben zu können.
Es wird v.a. die formale Struktur betrachtet, die unpersönlich ist.
Am Anfang des Situativen Ansatzes wurden nur Nominalskalen eingesetzt, die
aber zunehmend durch Pughs Intervall-Skalen ersetzt werden. Betreffs der
Struktur wurden früher eher Interviews eingesetzt, heute werden eher die
organisatorischen Manifestationen untersucht.
Wofür kann man den Situativen Ansatz anwenden?
-
Man kann Unterschiede in den Organisationsstrukturen erklären, indem man sie
auf situative Faktoren zurückführt.
-
Man kann prognostizieren, wie die Organisationsstruktur sich ändert,
wenn die Situation sich ändert.
- Man kann Gestaltungsempfehlungen abgeben.
Kern und Schumann zeigten über die Methoden des Situativen Ansatzes, dass
die automatische Fertigung zur Entfremdung von der Arbeit führt (was allerdings
nach den Prämissen des Situativen Ansatzes gerade nicht hätte geschehen sollen).
Die Macht der Manage wird (wieder einmal) vernachlässigt. Diese wollen z.B.
grössere Abteilungen häufig nicht aufgrund einer bestimmten Situation, sondern
alleine aus persönliche Machtgelüsten heraus. Der Situative Ansatz liefert uns
oft nur funktionale Erklärungen.
Organisationen sind nicht nur in einer Situation, sondern befinden sich je
nach Abteilung in verschiedenen Situationen, was verschiedene Strukturen
in ein und derselben Organisation bedingen kann.
Eine vollständige Determinierung durch die Situation ist keinesfalls gegeben.
Endogene Kritik: Wichtige Dimensionen werden nicht erfasst (die Konzepte dahin
gehend werden aber verfeinert), die Operationalisierung ist oft ungenau
(z.B. Vermengung von objektiven mit subjektiven Dimensionen), die statistischen
Verfahren sind unangemessen (zeigen z.B. nur lineare Zusammenhänge auf),
die Stichproben sind meist zu klein und unrepräsentativ, wodurch der
Informationsgehalt gering ist (hier ist eine Verbesserung etwa durch
Branchenbezogenheit eventuell möglich).
Exogene Kritik (verantwortlich für Weiterentwicklungen): Die Annahmen
sind zu streng formuliert; statt Determinismus bieten z.B. neue Techniken sogar
neue Spielräume (die CNC-Technik erlaubt Dezentralisation und Zentralisation
gleichermassen), d.h., der Gestalter kann entscheiden. Es werden keine
Konzepte genannt, wie die Organisation auf die Situation wirken kann. Die
unvollkommenen Märkte führen nicht zu einer rigorosen Selektion.
Funktionale Erklärungen verschleiern die Macht der Manager, z.B. dienen
formale Strukturen auch der Herrschaftssicherung und der
Informationsbeschaffung für die Manager. Der Situative Ansatz hat
konservative Wirkung, aber Organisationstheorien sollten besser auch innovative
Lösungen produzieren können. Wie interpretative Ansätze
hervorheben, sind die Organisationsstrukturen nicht objektiv messbar, weil
sie sich auf Verständigungsprozesse begründen, die von Werten und
Ideologien der Mitglieder gesteuert sind. Zuletzt gibt es auch noch gravierende
Kulturunterschiede, die den gefundenen "Fit" in den einem Land nicht
allgemeingültig für alle anderen Länder macht.
Strategisches Wahlkonzept von Child (1972): Auch die Gestalter beeinflussen
über Strategien merklich die Organisationsstrukturen. Die ist allerdings
schwer messbar, da i.d.R. ganze Entscheidungsbündel vieler Entscheider an
der Strukturbildung beteiligt sind.
Strukturtypen nach Henry Mintzberg: Es existieren Grundmuster für
"harmonische" Strukturen, die die Entscheidungen der Gestalter (in ihrer
Strategiebildung) einschränken. Grössere Organisationsstruktur-Änderungen
sind dann nur noch über Quantensprünge in bestimmter Reihenfolge möglich.
Mintzberg unterscheidet die Typen:
- Machine Bureaucracy: Pyramiden-Form der Behörden.
- Professional Bureaucracy: U-Boot-Form der Universitäten.
- Adhocracy: Cola-Flaschen-Form für Hightech-Unternehmen.
Die Erweiterungen halten fest: Strategie, Strukturen, Grundmuster und
Situation müssen stimmen für den "Fit". Diese Stimmigkeit beruht aber
nicht auf Determinierung, sondern wird letztlich von den Gestaltern
geprägt.
Die Verfügungsrechtetheorie (Property of Rights) ist eine von Ronald Coase
(1937) aufgestellte institutionenökonomische Theorie (Institutionen sind
hier Märkte, Organisationen und Rechtsnormen mit Akteuren und geprägt
von einer gewissen Dauerhaftigkeit). Dabei gilt es einen Weg zu finden, der die
Koordinationsprobleme des ökonomischen Austausches genauso
kostengünstig wie effizient löst, und es ist zu beschreiben, inwieweit sich
ein solcher Weg auf die Strukturen der Institutionen auswirkt.
Gefragt wird: Wie wirkt sich die institutionalisierte Gestaltung der
Verfügungsrechteverteilung an Ressourcen auf die Akteure aus? Wie
entstehen und wie wandeln sich die Verfügungsrechte? Wie kann eine
Ressource am effektivsten genutzt werden - indem sie allgemein
zugänglich ist oder indem sie privatisiert wird?
Vorausgesetzt wird:
-
ein nutzenmaximierendes Verhalten der Individuen (gleiche Prämisse wie
bei den klassischen Wirtschaftstheorien).
-
die Entwicklung und Durchsetzung der Verfügungsrechte verursacht
Transaktionskosten (z.B. durch Verwaltung, Wachpersonal u.ä.).
Die individuellen Akteure einer Institution versuchen ihren Nutzen an den
Ressourcen zu maximieren, indem sie sich möglichst hohe
Verfügungsrechte darauf sichern. Es gilt:
Benutzungsrecht < Ertragsbeteiligungsrecht <
Substanzänderungsrecht < Übertragungsrecht
Wer alle Rechte besitzt, hat exklusive Rechte an den Ressourcen. Eingeschränkt
werden die Rechte über die Institutionen und denen damit verbundenen
Transaktionskosten.
Wenn die Akteure einer Institution die Gelegenheit dazu haben, dann
versuchen sie, bei gegebenen institutionellen Rahmenbedingungen und unter
Berücksichtigung der entstehenden Transaktionskosten, ihren Nutzen an den
Ressourcen zu maximieren.
Es existiert die Theorie der Verfügungsrechte, aus der Hypothesen
abgeleitet werden, die dann empirisch überprüft werden, um - i.d.R.
funktionale - Erklärungen für die institutionelle Regelung der
Verfügungsrechte liefern zu können. Dabei wird nur vermutet, was den
meisten Nutzen für die jeweiligen Akteure darstellt.
Erlaubt die Analyse von unterschiedlichen existierenden Eigentumsformen, von
Unternehmensverfassungen, von Innovationsverhalten und historischen
Wirtschaftsentwicklungen.
Prognostiziert, dass öffentliche Ressourcen mittels der Verfügungsrechte
weniger effizient genutzt werden, weil die Wähler ihren Anspruch daran wegen
zu hoher Durchsetzungskosten zu wenig geltend machen können.
Zeigt auf, warum überhaupt Unternehmen existieren. Nämlich weil Unternehmen
über vertragliche Regelungen eine effektivere Verfügungsrechtestruktur
einrichten können, als dies die freien Märkte gewährleisten können.
Erlaubt allgemein - und manipulativ - das Gemeindeeigentum als weniger effizient
darzustellen, als Privatvermögen. So etwas hören Manager natürlich gerne.
Bisher werden nicht alle existierenden Unternehmensverfassungen empirisch
untersucht. Die Verfügungsrechtestruktur und auch die Transaktionskosten
sind schwer operationalisierbar. Der Ansatz benötigt häufig Theorie-exogene
Erklärungsfaktoren, um die empirischen Befunde deuten zu können.
Als direkte Weiterentwicklung der Verfügungsrechtetheorie sind die
Agentur- und die Transaktionskostentheorie zu nennen.
Die Agenturtheorie ist als Präzisierung und Erweiterung
der institutionsökonomischen Verfügungsrechtetheorie zu verstehen. Unterschieden
wird hier eine normative Richtung, die die optimale Vertragsgestaltung anstrebt,
und eine deskriptive Richtung, die die bestehenden Organisationsverträge analysiert.
Analysiert wird bei diesem Ansatz die Institution des Vertrages sowie ihre Rolle
zwischen Prinzipal und Agentur, also z.B. zwischen:
- Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
- Vorstand und Managern.
- Vorgesetzten und Untergebenen.
Die Agenturtheorie fragt: Welche typischen Probleme existieren bei der
Vertragsgestaltung? Welche Anreizsysteme, Kontrollsystem und Informationssysteme
existieren, um derartige Probleme zu mildern?
Vorausgesetzt wird:
-
Jedes Mitglied der Organisation versucht, seinen individuellen Nutzen zu maximieren.
-
Es liegen bei den Mitgliedern unterschiedliche Interessen und Risikoneigungen
vor: Der Prinzipal gilt als risikoneutral, der Agent dagegen eher
als risikoscheu.
-
Eine optimale Vertragsgestaltung ist nur unter Berücksichtigung von
Agenturkosten möglich.
-
Organisationen und die Umwelt sind unpersönliche Vertragsnetzwerke.
-
Der Agent hat einen Informationsvorsprung auf sachlicher Seite gegenüber dem
Prinzipal, der den Agenten daher nur mangelhaft kontrollieren kann.
Agenturkosten sind Determinanten der Vertragsgestaltung. Als Agenturkosten
gelten alle Kosten, die beim vollkommenen Austausch, wie im Rahmen der
klassischen Wirtschaftstheorie, aufgrund der dort angenommenen
Informationssymmetrie nicht auftreten würden. Im Einzelnen sind diese
Agenturkosten: Steuerungskosten, Garantiekosten und Folgekosten des
Nicht-Optimums. Ziel jeder Vertragsgestaltung ist die Minimierung der
Agenturkosten.
Wenn der Prinzipal nicht vertraglich geregelte Anreizmechanismen, Kontrollmechanismen
und Informationsmechanismen einsetzt (z.B. Ertragsbeteiligung und
Sanktionssysteme), dann verwirklicht der Agent aufgrund von sogenannten
Hidden-Action- und Hidden-Information-Problemen nur eine suboptimale Lösung.
Es werden die Möglichkeiten der bürokratischen Kontrolle analysiert, wie z.B.
Prämiensysteme, Vermögensbeteiligungen und Berichterstattungspflichten.
Die Agenturtheorie findet ein breites Anwendungsfeld, da sie bei jeglicher
Delegation greift. Z.Z. gilt ihr Hauptinteresse aber der Trennung von Eigentum
und Kontrolle; sie will also zeigen, wie Vertragswerke zwischen Eigentümern und
Managern konzipiert sind bzw. sein sollten. U.a. hat sich hierbei gezeigt,
dass die vorgefundenen Anreizsysteme oft wenig erfolgsgesteuert sind, als
vielmehr auf Alters- und Zeitvertragsprivilegien zurückzuführen sind.
Zeigt Schwäche des Aufsichtsrates auf, die Manager zu kontrollieren.
Zeigt, wie externe Mechanismen wie Märkte und Börsen dem Prinzipal helfen
können, die Manager unter Kontrolle zu halten (indem sie etwa die Ergebnisse
operational-transparent angeben bzw. indem sie die Konkurrenzsituation am
Manager-Arbeitsmarkt forcieren bzw. indem sie mit einer Firmenübernahme
drohen).
Die Agenturtheorie zeigt auf, dass die Leistung abhängig von der Vertragsgestaltung
ist. Sie beachtet die Mikroökonomie und die Informationsasymmetrie. Sie ist
realistischer als die klassische Wirtschaftsökonomie, die von vollkommenen,
idealisierten Annahmen ausgeht. Und sie ist relativ einfach gehalten, was eine
praxisrelevante Hypotheseformulierung erlaubt.
Dagegen besitzt die Agenturtheorie aber nur eine Ex-ante-Perspektive, d.h.,
sie geht von fixen Zielen aus (was unrealistisch ist, wie die Entscheidungstheorie
zeigt), die im Laufe der Zeit keine Änderungen erfahren. Daher betrachtet sie auch
nur Vertragswerke einer Periode und berücksichtigt keine Vertragsanpassungskosten.
Es wird nur die Sicht des Prinzipals behandelt, obwohl nicht nur die Agenten Probleme
bereiten können. Die Agenturkosten sind schwer operationalisierbar.
Bleibt nur zu sagen: Die Agenturtheorie hilft Managern bei der Gestaltung letztlich
nicht mehr, als es seine eigene Intuition ohnehin vermag.
Die Multi-Agenturtheorie berücksichtigt, dass eine Organisation mit mehreren
Agenturen Verträge schliessen kann, deren Aufgabenbereiche sich überschneiden
können. Ausserdem wird gesehen, dass die Agenturen auch Verträge untereinander
schliessen können. Generell gilt hierbei, dass die Hidden-Action- bzw.
Hidden-Information-Probleme in noch schärferer Form auftreten - und dass
es darüber hinaus häufig zu einem Trittbrettfahrer-Verhalten kommt.
Eine andere Erweiterung erfährt die Agenturtheorie, indem nicht nur eine,
sondern mehrere Perioden der Vertragsgestaltung analysiert werden.
Mehrstufige Modelle beschreiben, dass sich zwischen Prinzipal und Agenturen
häufig Wirtschaftsprüfer befinden, die den Prinzipal bei der Kontrolle
entlasten. Gefahren liegen hier in der Prüfer-Agent-Koalition, die ihrerseits
vertragsrechtlich abgefangen werden müssen.
Diese Theorie von Oliver Williamson (1985) ist eine Erweiterung der
institutionsökonomischen Verfügungsrechtetheorie. Sie gilt als "gemeinsames
Dach" von Soziologie, Ökologie und Organisationen.
Welche Arten von Transaktionen (Vertragsbedingungen) sind in welchen institutionellen
Arrangements (interne und externe Verträge) relativ am kostengünstigsten abzuwickeln?
Angenommen wird:
- Ex-ante-Transaktionskosten: Vertragsbildungskosten
-
Ex-post-Transaktionskosten: Vertragsdurchsetzungskosten und Vertragsänderungskosten
(diese werden bei der Verfügungsrechtetheorie und bei der Agenturtheorie unterschlagen!)
-
Nicht nur das Ex-ante-Anreizsystem ist wichtig, sondern der ganze institutionelle
Austauschprozess, da dieser die Ex-post-Transaktionskosten bestimmt.
- Die Akteure besitzen nur begrenzte Rationalität.
- Die Akteure handeln opportunistisch und wollen ihre eigenen Interessen durchbringen.
- Die Akteure handeln risikoneutral.
Theorie der Kostendetermination: Die Transaktionskosten und die institutionellen
Arrangementkosten (d.h. Produktionskosten) hängen ab von ihrer Charakteristik.
Die Transaktionen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer transaktionsspezifischen
Investitionen (abhängig von Standort, Saison, Anlagen u.a.), ihrer Häufigkeit
(was Skalen- bzw. Synergieeffekte mit sich bringt) und ihrer Unsicherheit bezüglich
des Mitgliederverhaltens und der Situation. Die institutionellen Arrangements
unterscheiden sich in der Anreizintensität, den Kontrollmechanismen, der
Anpassungsfähigkeit und den Durchsetzungskosten.
Wenn die transaktionsspezifischen Investitionen niedrig sind und kaum
Unsicherheit besteht, dann sind die Transaktionskosten und die
Produktionskosten am niedrigsten bei marktorientierter Vertragsgestaltung.
Wenn die transaktionsspezifischen Investitionen hoch sind und Unsicherheit
besteht, dann sind die Transaktionskosten und die Produktionskosten am
niedrigsten bei organisationsorientierter Vertragsgestaltung.
Untersuchung mithilfe von Regressionsanalysen, die zeigen, ob das in der Theorie
billigste Arrangement in der Praxis tatsächlich zutrifft.
Da Transaktionskosten und Produktionskosten nicht operational sind, d.h., objektiv
gemessen werden können, werden sie empirisch erhoben.
Unter bestimmten Annahmen kann die Transaktionskostentheorie funktionale
Erklärungen für das potenziell günstigste institutionelle Arrangement liefern.
Hilft Managern zu entscheiden, ob sie die Fremd- oder Eigenherstellung
bevorzugen sollen ("Je spezifischer das Produkt ist, desto eher sollte es
selbst produziert werden").
Hilft Managern bei der Vertragsgestaltung von Internationalisierungsvorhaben
(Joint Ventures, Lizenzvergabe, strategische Allianzen).
Jones erklärt mit diesem Ansatz die Ausprägung von Strukturdimensionen (z.B. bei
Diversifikation, Kontrolle und Konfiguration).
Hilft bei der Verhältnisentscheidung zwischen Fremd- und Eigenkapital.
Betont die vertragliche Absicherung insbesondere bei einzigartigen Produkten.
Denn solche Produkte lassen sich i.d.R. nur in starker Abhängigkeit zu anderen
Vertragspartnern realisieren (Beachtung von mehr transaktionsspezifischen Investitionen
als von punktuellen).
Der Ansatz erklärt die Vorteile und Nachteile von Märkten. So sind hier niedrige
Transaktionskosten zu finden, die aber spezielle Produktionswünsche häufig nicht
erfüllen können. Dagegen bieten Organisationen (als Gegensatz zum offenen Markt)
die Möglichkeit zur sehr speziellen Produktion, doch diese ist dann mit hohen
Transaktionskosten verbunden.
Die Annahme der Risikoneutralität ist kontrafaktisch, also eine reine Vereinfachung.
Macht wird vernachlässigt, wenn von der evolutionären Annahme ausgegangen wird,
dass sich auf lange Sicht die günstigsten Transaktionensarten (d.h. Organisationsformen)
gegenüber den weniger günstigen durchsetzen werden.
Der Ansatz betrachtet auch Internationalisierung. Er kann die Existenz von
Organisationen begründen ("Sind billiger als freie Markaustauschprozesse").
Er hat eine hohe Integrationskraft auf andere Ansätze und damit eine grosse
Allgemeingültigkeit als diese, aber auch wenig Aussagekraft für konkrete
Gestaltungsempfehlungen. Aber v.a. ist wichtig: Der Ansatz beachtet auch
Ex-post-Transaktionskosten und betont Anpassungsprozesse (im Gegensatz zur
Verfügungsrecht- und Agenturtheorie).
Eine Erweiterung wäre denkbar: Transaktionskostentheorie plus
Agenturrisikoscheuheit der Agenturtheorie.
Die Evolutionstheorie zeigt, wie die Umwelt verschiedene überlebensfähige
Lebewesen hervorbringt. In Analogie dazu wollen evolutionäre Organisationstheorien
zeigen, wie (alleine) die Umwelt verschiedene Organisationsstrukturen hervorbringt,
was der Ansicht der Rationalisten entgegenläuft. Der Population-Ecology-Ansatz wird
hauptsächlich gestützt von Hannan und Freeman (1977), Aldrich und McKelvey (1983)
sowie Glenn Caroll (1987).
Wie wirkt die Umwelt auf die Organisationen ein? Warum existieren bestimmte
Organisationsstrukturen?
Angenommen wird:
-
Populationen bedeuten Speziation von Organisationen. Dies bedeutet die Teilhabe
an einem bestimmten Genpool. Und dies wiederum bringt einen einheitlichen "Compool",
d.h. kollektive Kompetenz.
-
Gestalter hinken wegen der Trägheit der Organisationen der Umwelt stets hinterher
(aber: Diese Trägheit verhindert auch bei Isolation eine schnelle Kopierung einer
neuen Art im Gegensatz zur Biologie).
- Das Populationswissen ist jeweils auf nur eine Population beschränkt.
- De Gestalter können die Umwelt (fast) nicht beeinflussen.
- Die Organisationsstruktur wird durch Auslese der Umwelt bestimmt, nicht von Gestaltern.
- Organisationen wandeln sich nicht für sich alleine, sondern als ganze Populationen.
-
Variation (durch Imitationsfehler) und Innovation (neue Population durch
Spin-offs) entstehen meist bei der Organisationsgründung.
- Die Selektion bewirkt ein immer homogeneres Populationsbild.
-
Manager sind eine Art Züchter, die die Organisationen nur in bestimmte Richtungen
lenken, sie aber nicht wirklich koordinieren können.
Nach Hannan und Freeman gilt: Selektion liegt nur dann vor, wenn ganze Organisationen
eliminiert werden. Besser bei Carol: Die Reproduktionserfolge einzelner
Organisationskompetenzen sind ebenfalls abhängig von der Selektion.
Bewahrungsmechanismen (wie z.B. bürokratische Routinen) sorgen dafür,
dass der Wissensschatz erhalten bleibt. Über Isolationsmechanismen bilden sich
verschiedene Populationen heraus. Sie begründen sich auf der Trägheit von Organisationen,
bedingt durch das Sunk-costs-Verhalten, durch nicht-umweltgerechte Informationssysteme,
durch unflexible Akteure und durch diverse Markteintritts- und Marktaustrittsbarrieren.
Nach Hannan und Freeman sind Klassifikationen der verschiedenen Populationen im
Prinzip möglich, was Aldrich und McKelvey jedoch ablehnen, weil sie auch an laufende
Änderungen während der Lebenszeit von Organisationen glauben und nicht nur an Vererbung
(im Gegensatz zur Bioökologie).
Wenn ein effektiver "Compool" vorliegt, dann setzt sich eine bestimmte Population
langfristig durch (da sie öfter kopiert werden, öfter analysiert von Universitäten
und Unternehmensplanungen, öfter Arbeiter abgeworben bekommen usw.).
Wenn eine stabile Umwelt vorliegt (d.h. die Nischen fest abgesteckt sind), dann sind
spezialisierte Organisationen (wie z.B. chinesische Restaurants) effizienter als
generalisierte Organisationen (wie z.B. amerikanische Restaurants).
Empirische Analysen darüber, wie sich die Grösse von Populationen
in Abhängigkeit von bestimmten Selektionsfaktoren verändern. Z.B. wurden
Gompertz-Makeham-Funktionen bestätigt, die zeigen, dass das Sterberisiko mit zunehmendem
Alter exponentiell abnimmt (aber nicht bis auf null, weil auch uralte Organisationen
verschwinden können). Es zeigt sich hier auch, dass kleine Organisationspopulationen
gefährdeter sind als grosse - unabhängig vom Alter.
Häufig werden in die Analyse politische Unruhen, Kriege und Konjunkturströme mit einbezogen.
Erklärungen für "S"-Wachstumsverhalten von Populationen: Erst ist die Legitimation
wichtig für das Überleben, danach die Verbreitung, und dann setzt der Konkurrenzdruck
ein, was einhergeht mit einer Abflachung des Wachstums durch vermehrte Selektion.
Hypothese (aus bewiesener Bioökonomie), dass spezialisierte (fixe!)
Organisationsstrukturen in einer dynamischen Umwelt besser sind, weil sie
Umweltschwankungen besser "aussitzen" können (im Gegensatz zum Postulat des
Situativen Ansatzes).
Postulierung, das "r"-Strategien (viele Nachkommen bei hoher Sterblichkeitsrate)
in wenig besiedelten Nischen vorteilhafter sind als "K"-Strategien (wenig Nachkommen
bei niedriger Sterblichkeitsrate).
Erklärungen der historischen Evolution von Organisationen bzw. von ganzen Populationen.
Der Ansatz beachtet, dass wegen der begrenzten Rationalität der Gestalter
Zufälle und Kopierfehler möglich sind, also evolutionäre, nicht-steuerbare Elemente
zu berücksichtigen sind. Organisationen werden hier erstmals aus makrotheoretischer
Sicht gesehen, die hauptsächlich durch die Umwelt bestimmt werden und weniger
durch die Entscheider.
I.d.R. lassen sich für biologieanaloge auch nicht-biologieanaloge Erklärungen finden.
Der Rationalismus wird übermässig diffamiert, zumal dieser eine Evolution der
Evolutionsmittel gestattet, z.B. indem er Projektstrukturen einrichtet, die
zielgerichtetes, nicht-zufälliges Handeln hervorbringen. Ausserdem wird die bei
der Gründung einer Organisation zu beobachtenden evolutionären Änderungen als
zu dominant angesehen, da im Gegensatz zur tierischen Umwelt bei Organisationen
auch sehr wohl eine laufende Evolution stattfinden kann. Der evolutionäre Mechanismus
der Isolation funktioniert in der ökonomischen Umwelt ebenfalls nicht analog
zur biologischen, denn Diversifikationen, die ja die Isolation zunehmend abbauen,
erhöhen im Allgemeinen die Erfolgschancen einer Organisation. Was nun genau eine
Population ist, wird nicht geklärt, weil sich nur schwer operationalisierbare
Faktoren dafür bestimmen lassen. Warum die Umwelt selektiert, wird nur unzureichend
beschrieben; u.a. wird hier Macht als nicht-biologischer Mechanismus unterschlagen.
Die Gestaltungsaussagen beschränken sich zum Teil auf kurios wirkende Aussagen der
Form: "Rationales Handeln ist nicht möglich, also handle rein blind-intuitiv!"
Fazit: Die Analogie zur Biologie ist nicht adäquat, weil die Evolution der sozialen
Welt anders funktioniert als die Evolution der Lebewesen. Bei Letzteren existiert
im Übrigen auch keine eindeutige Evolutionstheorie, sondern mehrere, die miteinander
konkurrieren.
Der Ansatz von Weick (1979) besagt, dass Umweltänderungen erst Einfluss auf die
Organisationen nehmen, wenn sie von den Managern bemerkt werden, die dann die
Organisationsstrukturen variabel gestalten können. Im Hinblick auf diese Sicht
erweisen sich schriftliche Fixierungen als Grundübel, weil sie als kollektives
Gedächtnis zur Unflexibilität von Organisation beitragen. Weick will seinen
Ansatz v.a. als "Aufbrecher" desjenigen Teufelskreises verstehen, dass aus einer
rational-unflexiblen Theorie eine rational-unflexible Praxis abgeleitet wird,
die dann wieder für rational-unflexible Theorien herangezogen wird. Seine
Empfehlungen an das Management sind daher: "Zeige Toleranz gegenüber dem
Irrationalem und Abwegigem! Probiere immer wieder Neues spielerisch aus!
Chaotische Aktivitäten sind besser als eine Paralyse durch übertriebene
Analyse!" Erwachsene würden z.B. wegen der möglichen Risiken nie das Laufen
lernen, während Kinder unbefangen so lange nach dem Trial-and-Error-Prinzip
verfahren, bis sie es doch geschafft haben.
Die Evolutionstheorie der Gesellschaften liefert Erklärungen dafür, wie
Organisationen entstanden sind. Sie zeigt u.a. auf, dass sie in der heutigen
Form relativ jung sind (ca. 200 Jahre), und dass sie in dem Moment aus älteren
Organisationsformen wie Zünften und Manufakturen entstanden sind, als der Staat
seinen Bürgern zunehmend Pflichten aufbürdete, ihnen dafür aber auch umfassende
(soziale) Rechte sicherte.
Der St. Galler-Ansatz von Hans Ulrich behauptet, dass es Verhaltensregeln gibt,
die das Ergebnis evolutionärer Prozesse sind, also nicht absichtlich entstanden
sind, die zu einer sogenannten spontanen Ordnung führen können (die so spontan
eigentlich nicht ist, da sie diverse Gegebenheiten wie formale Strukturen,
Fremdbestimmung usw. zu berücksichtigen hat). Soziale Systeme besitzen diese
Fähigkeit der Selbstorganisation. Das Problem besteht in fixierten Lösungssystemen,
da sich die Umwelt ständig ändert. Der Situative Ansatz und stärker noch der
Taylorismus wollen den Handlungsspielraum der Geführten eingrenzen, um den
Gestaltern die Arbeit zu erleichtern. Tatsächlich machen sie ihnen damit aber
u.U. ihre Arbeit unmöglich. Was nötig ist, sind variabel gehaltene Lösungssysteme.
Manager müssen zudem erkennen, dass Lösungen für Probleme stets nur vorläufigen
Charakter besitzen, dass sie nur eine Kanalisation der beizubehaltenden
Varietät sein sollen. Der Manager sollte daher das System mit Respekt behandeln,
nicht hart durchgreifen, da dies die spontane Ordnung stört und die Betroffenen
ihre Probleme selbst lösen lassen. Der Manager wird hier vom Macher zum locker
Steuernden gemacht, zum Funktionär.
Problematisch ist der isomorphe Charakter des St. Galler-Ansatzes, d.h. er
überträgt die Ergebnisse aus der Biologie und Kybernetik direkt - ohne
Gültigkeitsprüfung - auf die Ökonomie.
Wie alle evolutionären Ansätze behauptet auch der von
Werner Kirsch (1992), dass die Umwelt zu komplex ist, um vom Management beherrscht werden
zu können. Ansonsten verfährt er jedoch eher nicht-evolutionär, mehr wie eine
Erweiterung des Mülleimer-Modells, denn er beschreibt einen Weg, einen Metakontext
zu finden, der hilft, im Interessenpluralismus Lösungen in bestimmten
Entscheidungsgelegenheiten auf Probleme treffen zu lassen (okkasionelle
Rationalität). Dies wird nach Habermas durch kommunikatives Handeln erreicht,
d.h. jeder stellt die persönlichen Ziele so lange zurück, bis der Situationskontext
eine günstige Gelegenheit dazu bietet, sie durchzusetzen. Kirsch verschärft dies,
indem er sagt, dass ein Manager passiv die Welt betrachten solle, bis er eine
günstige Gelegenheit sieht, seiner Weltauffassung gerecht zu werden - und dann
nur kurzzeitig aktiv eingreift. Dies erinnert ein wenig an das "Technology of
Foolishness"-Konzept von Starbuck: "Vergesst die westliche Rationalität und hört
auf die asiatische Rationalität! Werdet von Weltbeherrschern zu Weltbewahrern!"
Doch wie dieser - sicherlich sinnvolle - Weg zu beschreiben ist, darüber lassen
sich Kirsch und Starbuck natürlich wieder einmal nicht aus ...