Moderne Arbeitsformung

Geschwurbel von Daniel Schwamm (26.04.1994)

Inhalt

1. Entwicklung industrieller Produktionsprozesse

Die technische Entwicklung schreitet in immer kleiner werdenden Intervallen fort. Die Entwicklung der ersten Werkzeuge benötigte z.B. noch über eine Million Jahre. Bis zur Dampfmaschine waren es jedoch nur noch 1000 Jahre und bis zur Automatisierung sogar nur noch 100 Jahre. Typisch dabei ist, dass jede Basisinnovation zunächst zentral eingesetzt wird, bevor sie verteilt installiert wird. Noch in den 70ern beherrschten z.B. Mainframes das Bild in einem Unternehmen, während heute allerorten dezentrale PCs ihre Arbeit verrichten.

Mit der industriellen Revolution ging eine Vereinfachung der körperlichen Arbeit für die Arbeitnehmer einher. Diese Vereinfachung wurde noch weiter verstärkt durch den Anfang des 20. Jahrhundert aufkommenden Taylorismus/Fordismus mit seinen Fliessbändern und der konsequenten Trennung von Kopf- und Handarbeit (daher spricht man auch von einer zweiten industriellen Revolution). Dadurch wurden die Arbeiter austauschbarer, ein geringes Ausbildungsniveau genügte den Ansprüchen, und die ganzheitliche Arbeit geriet immer mehr in Vergessenheit. Die dritte industrielle Revolution, die Entwicklung der Mikroelektronik in den 70er Jahren, schuf Optionen für die Organisationsgestalter, die nun den Arbeitsteilungsprozess entweder weiter verschärfen oder wieder mildern können. So kann man z.B. CNC-Maschinen alleine von Arbeitern bedienen lassen, oder noch zusätzlich Programmierer und Einrichter dazwischenschalten. Was hier letztlich der bessere Weg ist, sollte durch Prüfung bestimmter Kriterien zur Gestaltung der Arbeitsstrukturen und Organisationsstrukturen geklärt werden.

2. Kriterien zur Bewertung von Arbeitsstrukturen und Organisationsstrukturen

Die Arbeit sollte nach Erkenntnis der Organisationstheoretiker nach folgenden Kriterien gestaltet werden:

  • Wirtschaftlichkeit
  • Schädigungsfreiheit: Dazu sind die Arbeiter z.B. vorher über die physischen bzw. psychischen Berufskrankheiten aufzuklären.
  • Beeinträchtigungslosigkeit: Die sozialen Bedürfnisse der Arbeiter sollten befriedigt werden, sie sollten nicht unter permanenten Zeitdruck stehen, nicht in Lärmzonen arbeiten, genügend Arbeitsmaterial zur Verfügung haben usw.
  • Persönlichkeitsförderlichkeit: Die Arbeitsinhalte sollten den Arbeitern die Möglichkeit zur Selbstentfaltung geben, sie sollten sich fortbilden können, und die Stelle sollte gesellschaftlich akzeptiert sein usw.
  • Zumutbarkeit: Je nach Ausbildungsniveau muss die Arbeit an die Arbeiter auf Zumutbarkeit hin angepasst werden.

Werden Arbeitsstrukturen nach diesen Kriterien gestaltet (indem sie z.B. in einem Pflichtenheft für Organisationsgestalter untergebracht werden), dann erhält man als Ergebnis eine humane Arbeit. Doch wie müssen die Arbeitsinhalte (die Aufgaben der Arbeit) gestaltet werden, um diesen Kriterien gerecht zu werden?

3. Merkmale der Aufgabengestaltung

Menschen sind auf zwei Wege zu motivieren:

  1. Extrinsische Motivation durch Anreize durch das äussere Umfeld, z.B. durch die Führung, die finanzielle Entlohnung usw.
  2. Intrinsische Motivation durch Aufgabenorientierung, die folgendermassen gestaltet werden sollte:
    • Ganzheitlichkeit garantieren, z.B. indem die Beschäftigten ihre Ergebnisse selbst auswerten können.
    • Anforderungsvielfalt aufrechterhalten, indem z.B. auf den klassischen Rationalisierungsansatz der Dreiteilung der Arbeit in vorbereitende, ausführende und kontrollierende Teiltätigkeiten verzichtet wird.
    • Möglichkeiten zur sozialen Interaktion einräumen, indem z.B. kooperative Aufgaben geschaffen werden.
    • Autonomie zulassen, indem z.B. Aufgaben mit Entscheidungsmöglichkeiten vorgegeben werden.
    • Lernoptionen und Entwicklungsmöglichkeiten integrieren, indem z.B. Aufgaben vorgegeben werden, die einer Einarbeitung bedürfen.

4. Das Konzept der soziotechnischen Systemgestaltung

Häufig wird die Arbeit nach der Technik gestaltet, d.h. die Arbeit wird an eine vorhandene technische Lösung angepasst. Dies war früher sicherlich der richtige Weg, doch heute räumt die moderne Technik vielfältige Optionen zur Gestaltung ein, sodass die Arbeitsplätze vor der Technik gestaltet werden können und damit besser an die Bedürfnisse der Beschäftigten anpassbar sind. Ein Betrieb besteht aus zwei Teilsystemen, dem technischen Teilsystem und dem sozialen Teilsystem. Da es wenig Sinn hat, diese beiden Systeme isoliert für sich zu optimieren, sollten die Gestalter beide Systeme gleichzeitig bearbeiten. Einige soziotechnische "Gesetze" sollten sie dabei beachten:

  • Je kleiner der Grad der Mensch-Maschine-Kopplung ist, desto mehr Spielraum bleibt den Beschäftigten und Gestaltern zur Arbeitsgestaltung.
  • Je kleiner die Produktdistanz ist, desto eher fühlen sich die Beschäftigten zur Arbeit motiviert.
  • Je geringer die Prozessverkettung ausfällt, desto mehr Freiheitsgrade stehen zur Kontrolle und Steuerung zur Verfügung.

Die Organisationsgestalter sollten prinzipiell:

  1. relativ unabhängige Organisationseinheiten bilden, innerhalb der möglichst auf Arbeitsteilung verzichtet werden sollte. Statt in Einzelarbeit sollte also in Gruppenarbeit produziert werden.
  2. die Vorgesetzten von reinen Überwachern zu Managern machen, d.h. sie dazu drängen, nur noch die Ergebnisse, nicht aber den Arbeitsprozess zu überwachen oder in diesen einzugreifen. Die dadurch eingesparte Zeit können sie dazu nutzen, mehrere Organisationseinheiten zu managen, wodurch die Leitungsspanne erhöht werden kann.

5. Schlüsselmerkmale der Gruppenarbeit

Nach Cummings und Blumberg (1987) zeichnet sich die Gruppenarbeit durch die folgenden Merkmale aus:

  • Die technische Kopplung ist hoch, d.h., die Arbeit erfordert eine hohe Kooperation der Einzelteilnehmer.
  • Die technische Ungewissheit ist hoch, d.h., die Kontrolle des Arbeitsprozesses kann nicht alleine dem Vorgesetzten überlassen werden wie bei Einzelarbeit, sondern obliegt auch den Einzelteilnehmern einer Gruppe selbst.
  • Die Umweltdynamik ist hoch, d.h., die nötige Flexibilität wird am ehesten durch Gruppenarbeit gewährleistet, da Gruppen schneller ihre internen Potenziale ausnutzen können, als hierarchisch organisierte Einzelarbeiter.
  • Die Bedürfnisse der Arbeiter gehen in die Richtung der oben genannten intrinsischen Faktoren.

Bleibt nur noch auf eine Besonderheit hinzuweisen: Traditionelle Arbeitsgruppen unterscheiden sich von selbstregulierenden Gruppen dadurch, dass intern die Arbeitsteilung aufrechterhalten wird. Ein solches Vorgehen kann von Vorteil sein, wenn Gruppenarbeit anzuraten ist, die Umweltdynamik aber so gering ausfällt, dass die Flexibilität der Arbeiter bezüglich ihrer Fähigkeiten nur eine untergeordnete Rolle spielt.