Entscheidungstheorie

Geschwurbel von Daniel Schwamm (25.07.1994)

Inhalt

1. Modell der präskriptiven Entscheidungstheorie

Entscheidungssituation                            Entscheidungstraeger
                        Praeferenzen

                        Ziele

                        REALITÄT
---------------------------------------------------------------------
                        MODELL

Entscheidungsfeld                                  Bewertungsmassstäbe

Handlung                Zustand      

                        Entscheidungskriterien
Ergebnis

Ergebnismatrix
                                                    Art
                        Entscheidungsregeln         Hoehe    
                        (Gewichtung)                Zeit
                                                    Sicherheit
Nutzen-Matrix
                        Loesungsverfahren
                                                    Sicherheit
                        Algorithmen                 Risiko
                                                    Unsicherheit
                        Heuristiken
Beste Alternative

==> Die präskriptive Entscheidungstheorie ist nur bei wohl-strukturierten Problemen anwendbar, d.h. die Entscheider müssen klare Präferenzen und einen vollständigen Überblick über den potenziellen Handlungsraum und Zustandsraum besitzen, sowie die Konsequenzen der einzelnen Alternativen unter den Bedingungen der Sicherheit, des Risikos und der Unsicherheit abschätzen können. Bei einem schlecht-strukturierten Problem wie die Wahl des optimalen Führungsstils versagt die präskriptive Entscheidungstheorie; es muss dazu die deskriptive Entscheidungstheorie herangezogen werden.

2. Deskriptive Entscheidungstheorie

Die deskriptive Entscheidungstheorie geht von dem Axion aus, dass Entscheidungen von Individuen rational getroffen werden. Ihre Funktion ist es, zu erklären, wie Individuen Entscheidungen fällen. Darauf aufbauend, versucht sie zu ergründen, wie Kollektiv-Entscheidungen gefällt werden. Und wiederum darauf aufbauend, versucht sie zu ergründen, wie Entscheidungen zwischen Organisationen gefällt werden. Betrachtet werden nicht Entscheidungen bzgl. wohl-strukturierter Probleme, sonder bzgl. schlecht-strukturierte Probleme, die aber wohl-definiert sind. Ein solches wohl-definiertes, aber schlecht-strukturiertes Problem ist z.B. das Schachspiel. Man kennt das Ziel, weiss aber nicht, wie man es am besten erreichen kann. Darüber kann allerdings auch die deskriptive Entscheidungstheorie keine Auskunft geben; sie erklärt nur, wie entschieden wird, aber nicht, wie gut oder am besten entschieden wird.

2.1. Individual-Entscheidungen

Individuen treffen Entscheidungen aufgrund intra-individueller, kognitiver Denkprozesse. Die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie richtet sich dabei an das Stimulus-Organismus-Response-Paradigma, wobei sie im Gegensatz zum Behaviorismus oder der einfachen deskriptiven Entscheidungstheorie zur Erklärung von Entscheidungen auch die Introspektion, d.h. den Verstehens-Ansatz, als legitim erachtet. Im folgenden betrachten wir uns einige Punkte, die die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie untersucht, um über sie Erklärungen bzgl. des Verhaltens von Individuen, Gruppen und Organisationen abgeben zu können.

  1. Persönlichkeit: Die Persönlichkeit setzt sich aus den folgenden Komponenten zusammen:
    • Informationen des Langzeitgedächtnis
    • Überzeugungen: Bauen sich aus den Selbsteinschätzungen des Individuums, den Konsequenzen-Abschätzungen und dem faktischem Wissen aus.
    • Werte: Sie bilden die Werturteilsbasis des Individuums. Sie wirken wesentlich auf die Ziele, Bedürfnisse, Triebe und Attitüden (abgeleitete Werte) des Individuums ein, und damit auch auf seine Motivation.
  2. Kognitive Programme: Kognitive Programme ermöglichen es dem Individuum, sich zu ändern. Dies bedeutet:
    • Lernen: Das Individuum lernt durch Konditionierung, im Trial-and-error-Verfahren und durch intelligentes (gezieltes) Lernen.
    • Sozialisation: Durch Betrachtung der Kultur, Gruppen oder Personen übernimmt das Individuen (unbewusst) Werte und Überzeugungen in die eigene Persönlichkeit.
  3. Suchstrategien für wohl-definierte Probleme:
    • Teile und herrsche!
    • Mittel-Zweck-Analyse: Welche Mittel sind für mein Ziel nötig?
    • Rückwärtsdenken: Vom Endzustand zum Ist-Zustand zurückdenken.
    • Analoges Schliessen: Neues problem wie gelöstes, altes Problem angehen.
    • Durchwursteln: Ad-hoc-Vorgehen (Manager-üblich!)
  4. Intraindividuelles Konfliktlösungsverhalten:
    • weitere Suchprozedur nach nicht-konfliktionäre Entscheidung starten.
    • Anspruchsniveau anpassen.
    • Beseitigung kognitiver Dissonanz (durch Verleumdung des Konflikts).

2.2. Kollektiv-Entscheidungen

Reduktionismus-These der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie: Die Entscheidungen von Gruppen ergeben sich aus den Entscheidungen, die die Gruppenmitglieder getroffen haben. Die soziale Gruppe hat demnach keine Fähigkeiten, eigenständig Selbstregulationen zum Überleben zu treffen, wie ihr dies von den systemtheoretischen Ansätzen unterstellt wird. Der Reduktionismus-These können wir uns nicht unbedingt anschliessen. Denn wenn das individuelle Handeln so wichtig ist für das Handeln der Gruppe, wieso ändert die Gruppe dann nach Austausch einzelner Individuen nicht ihr Verhalten? Unserer Meinung nach baut sich kollektives Handeln nicht nur aus den Einzelhandlungen der Kollektiv-Mitglieder auf, sondern resultiert auch daraus, dass das Kollektiv über soziale Gesetze die individuelle Handlung beeinflusst, sie also gewissermassen deindividualisiert. Die Entpersönlichung der Organisationsmitglieder wird allerdings z.T. auch in der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie aufgegriffen.

Nach dem Koalitionsmodell von Cyert und March treten Individuen in Organisationen ein, weil sie sich erhoffen, dadurch besser ihre persönlichen Ziele (nicht die der Organisation!) erreichen zu können. Ihre Bedürfnisse müssen daher von der Organisation befriedigt werden, ansonsten treten sie aus. Die Theorie des Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht als Variante der Equity-Theorie hilft den Organisatoren abzuschätzen, wie viel Output sie für wie viel Input erwarten können. Problematisch ist dabei allerdings die Subjektivität der Input- und Output-Faktoren, weswegen man auch nach der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie den Einzelnen introspektiv betrachten darf.

Gruppenentscheidungen hängen ab von:

  • Den gesellschaftlichen Werten: "Gruppen-Sozialisation".
  • Den organisatorischen Werten: Zielbildungsprozess.
  • Den Organisationsstrukturen: Rollenverteilung, 2-Faktoren-Theorie (Motivation), unpersönliche Führung.
  • Der Situation: Die Situation bedingt eine Änderung der Strukturen (Lernen der Organisation).

Die Situation wie die Strukturen werden in der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie unterschätzt bzgl. ihrer verhaltenssteuernden Wirkung, wohl weil sie als relativ konstant empfunden werden. Grund: Die Strukturen sind das Ergebnis der Akteure, deren Persönlichkeiten (Werte, Präferenzen, Überzeugungen) relativ stabil sind. Die Strukturen erfahren somit durch individuellen Konservatismus, und individueller Angst vor dem Risiko und dem potenziellen Machtverlust trotz situativer Forderungen nur sehr träge tief greifende Änderungen.

Organisatorische Entscheidungsprozesse haben trotz oder gerade wegen der relativ stabilen Präferenzen der Akteure folgende Punkte zu beachten:

  • Interdependenzen zwischen den Entscheidungen: Konsequenzen absehbar?
  • Konflikte: Denn z.T. ist ein Interessenausgleich nicht möglich.
  • Macht: Sanktionen-Macht, Experten-Macht, legitime Macht, persönliche Macht.
  • Manipulationsversuche: Drohung, Versprechungen, vollendete Tatsachen schaffen.
  • Verhandlungen laufen auf eine gegenseitige Manipulation hinaus.

2.3. Entscheidungen zwischen Organisationen

Entscheidungen zwischen Organisationen werden relevant, wenn es um Tarifverhandlungen oder um Transaktionsbeziehungen geht. Organisationen entscheiden dabei nicht eigenständig, selbst-schöpferisch, wie die systemorientierten Ansätze glauben, sondern geben nur die Entscheidungsbündel wieder, die die Sub-Koalitionen der Organisation getroffen haben, die wiederum aus den Einzelentscheidungen der Koalitionsmitglieder gebildet wurden.