Abteilungsbildung

Geschwurbel von Daniel Schwamm (22.06.1994)

Inhalt

1. Anlass und Funktionen der Abteilungsbildung

Abteilungen werden aus den folgenden drei Gründen gebildet:

  1. Die Leitungsintensität von Instanzen ist beschränkt: Aber einer gewissen Leitungsspanne bekommen Instanzen Koordinationsprobleme. Aus diesem Grund führen sie eine weitere Hierarchieabstufung ein. Üblich sind hier die Abstufungen Bereich, Hauptabteilung, Abteilung, Unterabteilung und Gruppe. Voraussetzung dazu ist jeweils eine Delegation von Entscheidungen.
  2. Komplexität der Organisationsumwelt: Wird die Umwelt zu komplex, können Abteilungen helfen, dass die Mitglieder der Organisation die Komplexität in den Griff bekommen. Nur so sind sie dauerhaft zu motivieren. Andererseits dürfen hierbei die Dysfunktionen der Abteilungsbildung nicht übersehen werden: Abteilungsegoismus und Konflikte zwischen Abteilungen, die wiederum den Koordinationsaufwand erhöhen können.
  3. Hervorhebung von Aufgaben: Oft sind Abteilungen nur gerechtfertigt, weil sie alleine die Wichtigkeit der Aufgabe der Abteilung unterstreichen soll. Solches ist z.B. bei vielen Ministerien oder PR-Abteilungen gegeben.

2. Gestaltungskriterien

2.1. Zuordnung von Aufgaben zu Abteilungen

Aufgaben sollten möglichst innerhalb einer Abteilung bearbeitet werden, wodurch sich die Kommunikation innerhalb der Abteilung erhöht (hohe Kohäsion), dagegen aber zwischen den Abteilungen reduziert (niedriges Coupling). Autonome Abteilungen sind interdependent von anderen Abteilungen. Eine weitere Steigerung der Interdependenzen - und damit eine Reduzierung des Koordinationsaufwandes zwischen Abteilungen - lässt sich über Puffer, flexible Ressourcen und Slacks (Überschüsse) erreichen, für die ein übergreifendes Optimum zu bestimmen ist. Jedoch darf bei der Abteilungsbildung keinesfalls die Strategie des Unternehmens vergessen werden. So fordert z.B. eine Divisionalisierungsstrategie auch eine entsprechende Abteilungsbildung nach dem Objekt.

2.2. Grösse von Abteilungen

Die Leitungsspanne determiniert die Grösse von Abteilungen: Je grösser die Leitungsspanne ist, desto grösser ist auch die Abteilung. Eine zu kleine Leitungsspanne beansprucht zu hohe Verwaltungskosten. Und eine zu grosse Leitungsspanne wirft Koordinationsprobleme auf. Eine Abteilung kann grösser sein, wenn folgende Kriterien (z.T.) erfüllt sind:

  • Homogene Aufgabenstruktur innerhalb der Abteilung.
  • Geringe Umweltdynamik für die Abteilung.
  • Programmierungsmöglichkeiten und Planungsmöglichkeiten sind gegeben.
  • Stäbe können unterstützend eingreifen (z.B. durch Pläne).
  • Die Delegation von Entscheidungen ist vorgesehen.

3. Theoretische Grundlagen

In diesem Kapitel wollen wir sehen, inwieweit (und ob überhaupt) die Gestaltung von Abteilungen in den verschiedenen Organisationstheorien ihren Widerhall findet.

  1. Klassische Managementlehre: Hier wird die Abteilungsbildung nach nur zwei Prinzipien vorgenommen: Nach dem Prinzip der Verrichtung (funktional orientiert) oder nach dem Prinzip des Objekts (divisional orientiert). Alleine danach Abteilungen zu bilden, ist sicher zu kurz gedacht.
  2. Situativer Ansatz: Hier werden das Verrichtungsprinzip und das Objektprinzip der Abteilungsbildung zu den beiden globalen Grundtypen der Organisationsstruktur erhoben: der funktionalen und der divisionalen Organisationsstruktur. Eine Verfeinerung erhält diese Betrachtung in der - situationsabhängig empfohlenen - Gestaltung von Sparten (Divisionalisierung nach Produktgruppen) oder Matrixorganisationen. Die qualitative Klassifizierung von Organisationsformen muss jedoch an der Komplexität der Realität scheitern; die konzeptionellen Masse von Struktur und Situation, die der Situative Ansatz quantitative erhebt, sind nur unzureichend zu operationalisieren. Im Hinblick auf konkrete Gestaltungsempfehlungen lässt uns der Situative Ansatz also ziemlich alleine.
  3. Systemtheoretische Ansätze: Ein solcher Ansatz, der sich mit der Abteilungsbildung beschäftigt, ist der von Thompson (1967), der Abteilungen in alleiniger Abhängigkeit vom Interdependenzgrad der Stellen bezüglich der Ressourcen bilden möchte. Thompson unterscheidet dazu gepoolte, sequenzielle und reziproke Interdependenzen, wobei reziproke Interdependenzen mit dem höchsten Koordinationsaufwand einhergehen - folglich sind solche Stellen zu Abteilungen zu gruppieren. Dieses Konzept kann uns bei der Abteilungsbildung jedoch auch nur wenig helfen, da nicht gesagt wird, um welche Ressourcen es sich jeweils dreht: Stellen können auf reziproke Ressourcen (z.B. Maschinen) und aber auch auf gepoolte Ressourcen (z.B. Geld) zugreifen - welche Interdependenzen sind nun eher zu beachten?
  4. Entscheidungstheoretische Ansätze: Hier werden formale Modelle gebildet, die helfen sollen, den Koordinationsaufwand bei autonomen Stellen im Vergleich zum Koordinationsaufwand bei nicht-autonomen Stellen abzuschätzen. Jedoch scheitern diese Modelle regelmässig an der Komplexität der Realität, sodass ihre Kalküle letztlich kontrafaktische Ergebnisse hervorbringen müssen.
  5. Transaktionskostentheoretischer Ansatz: Transaktionskosten kann man hier mit den Koordinationskosten gleichsetzen. Die Theorie besagt dann, dass Manager zu demjenigen Abteilungsbildungssystem greifen werden, welches ihnen den maximalen Nutzen einbringt. Und damit gleichzeitig auch - weil dieses mit minimalem Koordinationsaufwand einhergeht - der Organisation die meisten Vorteile liefert. Dadurch würde sicher die Tendenz zu Divisionen gestärkt, bei denen die Manager gewinnverantwortlich sind, wo Shrinking (Drückebergerei) abnimmt, die Ausnutzung der Ressourcen effektiver, flexibler und umweltorientierter ist, und wo die Unternehmensführung sich voll auf die Entwicklung ihrer Strategien konzentrieren kann. Zu dieser doch sehr pauschalen Erkenntnis müsste jedoch nicht extra eine Transaktionskostentheorie herangezogen werden; der normale Menschenverstand käme wohl zur gleichen Lösung.
  6. Evolutionäre Ansätze: Evolutionäre Ansätze empfehlen lose gekoppelte Abteilungen, um dadurch ihre Anpassungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Denn autonome Abteilungen können individueller auf die Umwelt reagieren, können sich selbstregulierender verhalten, und können eigenständiger Innovationen hervorbringen als funktional eingegliederte Abteilungen. Auch das läuft auf eine mehr divisionale denn funktionale Organisation hinaus. Jedoch werden hierbei nur wenige konkrete Gestaltungsempfehlungen genannt (z.B. welches Produkt soll in welcher Division geschaffen werden, welche Funktionen sollten in die zentrale Führungseinheit übernommen werden usw.). Eine evolutionäre Organisationstheorie wie der St. Galler-Ansatz übrigens käme sogar zu einer Lösung, die möglichst wenig am Status quo ändern würde, d.h., hier könnte u.U. auch leicht eine funktionale Organisationsform das Rennen machen. Ein Hinweis der evolutionstheoretischen Ansätze ist jedoch durchaus wertvoll, nämlich der, dass die synoptische Rationalität nicht über die verteilte Systemrationalität gestellt werden sollte; Autonomie und letztlich redundante Doppelarbeiten können ja fraglos auch ihre Vorteile haben, z.B. bezüglich der Geschwindigkeit der Bearbeitung eines Problems (weniger hingegen bezüglich der Kosten).

4. Analytische Ansätze

4.1. Eindimensionale Analysen

Eindimensionale Ansätze, die konkrete Gestaltungsempfehlungen für Abteilungen geben wollen, orientieren sich i.d.R. an der Dimension der Kommunikationsintensität. Das zu erreichende SOLL ist, dass die Kommunikation innerhalb von Abteilungen grösser ist als zwischen den Abteilungen. Realisiert werden kann eine solche Vorstellung, indem nach folgenden Schritten vorgegangen wird:

  1. Kommunikationsanalyse erstellen: Hierbei ist zu klären, wie präzise die Kommunikationsintensität erfasst werden soll. Dies ist sicher eine relevante Kostenfrage. Auch der Erhebungszeitraum sollte nicht zu kurz gewählt werden, z.B. zwei bis fünf Wochen, damit Ausnahmefälle die Aussagekraft der Ergebnisse nicht unnötig einschränken. Weiter ist zu klären, welche Kommunikationsmedien betrachtet werden sollen, z.B. Face-to-Face, Informationstechnologie (IT), Telefon, usw. Viel zu oft wird nur die am intensivsten genutzte Kommunikationsmethode untersucht, nämlich üblicherweise die Face-to-Face-Kommunikation. Zu selten wird auch die Dauer der Kommunikation erhoben - i.d.R. behilft man sich hierbei einfach mit der Zählung der Häufigkeit der Kommunikationsmethode. Und zuletzt muss noch geklärt werden, wie die Erhebung vonstattengehen soll: mittels Interviews, Fragebögen, Strichlisten oder mithilfe EDV-lesbarer Formulare?
  2. Kommunikationsmatrix erstellen: Sei A=(aij), dann gibt aij z.B. an, wie oft (nicht wie lange!) die Stelle i mit der Stelle j face-to-face kommuniziert hat.
  3. Kalkül einsetzen zur Bestimmung der optimalen Abteilungsstruktur: Die Aggregationsverfahren zur Gruppierung von Stellen zu Abteilungen können nach diversen Methoden durchgeführt werden. Beispiele wären Clusteranalysen, heuristisch-enumerative Verfahren oder auch die multidimensionale Skalierung nach Erwin Dichtl (1979).

Leider muss an den eindimensionalen Verfahren zur Abteilungsbildung so Einiges bemängelt werden: Zunächst wirkt nicht nur eine, sondern wirken viele Dimensionen auf die Sinnhaftigkeit von Abteilungsbildungen ein, also nicht nur die Kommunikationsintensität (siehe nächsten Abschnitt). Des Weiteren hat die bereits vorhandene Abteilungsstruktur grossen Einfluss auf die Kommunikationsanalyse. Durch Beobachtung z.B. erhält man keinen SOLL-Zustand, sondern den IST-Zustand, der natürlich von den gegebenen Strukturen dominiert wird. Durch Befragungen der Mitarbeiter erhält man auch nicht unbedingt die optimale Struktur für die Organisation, sondern eher eine Attraktivitätsskala und Beliebtheitsskala, die allenfalls für Feierabendtreffs von Relevanz sein können (Beliebtheit und Attraktivität von Personen sind Dimensionen für die Kommunikationsintensität, nicht aber für den Koordinationsaufwand, und müssen daher ausgefiltert werden), da sie eher soziale Beziehungen als Abteilungsbeziehungen betreffen. Mit anderen Worten: Hohe Kommunikationsintensität zwischen zwei Stellen heisst nicht unbedingt, dass hier hoher Koordinationsbedarf vorliegt! Weitere Probleme ergeben sich dadurch, dass abteilungsinterne Kommunikation schwerer zu erfassen ist als abteilungsexterne Kommunikation, und dass z.T. Face-to-Face-Kommunikation erwünscht ist, wo sie im Vergleich zur modernen IT eigentlich dysfunktional sein würde (z.B. können Planungsdaten genauso gut schnell und bequem über das Rechnernetz versendet werden, statt mündlich überbracht zu werden).

4.2. Multidimensionale Analysen

Neben der Kommunikationsintensität spielen weitere Dimensionen eine Rolle bei der Bildung von Abteilungen, so z.B. gemeinsame Ressourcen, Aufgabenhomogenität, gleiche Techniken usw. Unter Anwendung von sieben verschiedenen Stufen wird bei diesem Verfahren folgendermassen vorgegangen:

  1. Auswahl der für die Abteilungsbildung relevanten Dimensionen.
  2. IST-Analyse der Dimensionen.
  3. Ähnlichkeit zwischen den Stellen bewerten.
  4. Normierung und Gewichtung der verschiedenen Ähnlichkeitsmatrizen.
  5. Über Aggregationsverfahren eine Gesamtähnlichkeitsmatrix bilden.
  6. Unmögliche Abteilungen eliminieren (weil z.B. Kontrolle extra sein muss).
  7. Gruppierung der Stellen zu Abteilungen, z.B. über Cluster-Verfahren.

Leider lassen sich vielfach keine fundierten, theoretisch abgestützten Begründungen für die Wahl der Gewichtung der Dimensionen sowie der Auswahl der Aggregations- und Gruppierungsverfahren finden; dem Ganzen hängt dadurch der Beigeschmack von Willkür an. Zumal z.B. die Betrachtung von divisionalen Organisationen gegenüber funktionalen Ergebnissen nicht nur andere Dimensionen erfordert, sondern auch gleiche Dimensionen unterschiedlich interpretiert wissen will. Ausserdem sagen die Ergebnisse auch nichts über die SOLL-Grösse und die NORM-Grösse von Abteilungen in einer bestehenden Organisation (mit Koordinationsproblemen aufgrund falscher Abteilungsbildung) aus.

5. Bestimmung der Abteilungsgrösse

Das Lockheed-Verfahren ist ein Scoring-Modell, welches helfen soll, die IST-Grösse von SOLL-Abteilungen zu bestimmen und sie auch noch mit einer normierten Vorstellung zu konfrontieren. Dazu wird nach folgenden Schritten vorgegangen:

  1. Auswahl der relevanten Einflussfaktoren der Leitungsspanne: Z.B. die Homogenität von Aufgaben, die räumliche Nähe, der Einsatz von Programmierung und Planung usw.
  2. Gewichtung.
  3. Skalierung der Einflussfaktoren.
  4. Addition zu Gesamtsummen-Werten.
  5. Vergleich mit Norm-Leitungsspanne.

Wiederum ist die Wahl der Dimensionen, der Gewichtung und v.a. der Norm-Leitungsspanne wissenschaftstheoretisch nicht begründbar, sondern entspricht nur subjektiven Einschätzungen. Als Basisdaten für die Gestaltung von Abteilungen sind die Ergebnisse des Lockheed-Verfahrens daher mehr als fraglich, wenn sie ihren Lösungsweg jedoch auch relativ transparent machen.