COMICS - Kleine Geschichte der kleinen Geschichten
Comic-Page von Daniel Schwamm (01.04.1999)
Inhalt
Ich weiss nicht, wer das - zumindest so ähnlich - einmal gesagt hat; hat mich
aber so beeindruckt, dass ich mich selbst Jahre später noch daran erinnere:
"Wenn mich jemand fragen würde, welches Medium das am besten zu handhabende
sei, um schwierige Problemstellungen zu erklären, dann würde ich sagen: Comics.
Die Kombination aus Wörtern und Bildern hat einen universalen Charakter; jedermann
versteht sie, insbesondere auch Kinder und Wirtschaftsinformatiker. Einem Donald,
dem Tropfen um das Haupt schwirren, sieht man seine Angst unmittelbar an, egal,
ob man nun Frau Meier, Klaus Dieter oder Kal-El heisst."
Ich jedenfalls liebe Comics. Daher habe ich einmal ein bisschen zur Thematik
zusammengestellt - eine kleine Zeittafel der bunten Bilder ...
"Max und Moritz" von Wilhelm Busch. War bereits 1871 auch in
amerikanischer Übersetzung verfügbar.
"Ally Sloper", ein rüder Saufbold, wird proletarischer Volksheld in England.
Gezeichnet von Charles Ross und Marie Duval, später auch von
anderen Zeichnern (das war übrigens auch das erste Mal, dass eine Figur offiziell
von einem Zeichner an einen anderen Zeichner weitergereicht wurde).
Richard Outcaults "Hogan's Alley" (in der Zeitung "Sunday World" von Pulitzer).
Naturalistisch gezeichnete Hinterhofszenen, comic-like aber die Figur Mickey Dugan,
the Yellow Kid (wegen seines gelben Nachthemds; ab 1896). Outcault benutzte teilweise
sogar schon Sprechblasen.
Rudolf Dicks "Katzenjammer Kids" erscheinen in den Hearsts Zeitungen. Thematisch
ging es um Kinder, die irgendwelche Streiche aushecken. Visualisiert im Buschstil und
sprachlich versetzt mit deutschen Wortbrocken.
"Happy Hooligan" von Frederick Burr Opper. Durchgehender Comicstil, die
Sprechblasen sind fest eingeführt. Handelt von der karikaturesken Geschichte des
Typen, der immer wieder alles versucht, seine Traumfrau zu erobern - sie aber dennoch
nie bekommt.
Gustave Verbeeks "The Upside Downs": Die Story musste hier auf Kopf stehend
weitergelesen werden. Ein verrücktes Experiment, welches nie wiederholt wurde.
Verbeek hielt diesen verqueren Plot immerhin ein Jahr lang durch.
Winsor McCay zeichnet grafisch virtuos die Geschichten von "Little Nemo".
Ein Junge rennt dabei durch fantastische Traumlandschaften ("Schlummerland") - und wacht
am Ende meistens unsanft auf.
Das surreale Meisterwerk "Krazy Kat" von George Herriman wird
erstmals publiziert. 30 Jahre lang (!) verfolgt die verliebte Katze die Maus,
die gerne mit Backsteinen um sich wirft, während der ebenfalls verliebte
Polizeihund hinter der Katze her ist. Der Verleger William Randolph Hearst war
ein erklärter Fan der Serie, was vielleicht auch ihre extreme Langlebigkeit zu
erklären vermag.
Mit "Felix the Cat" wird erstmals eine Comic-Strip-Figur zum Trickfilm-Helden.
Gezeichnet wird der Kater mit dem multi-funktionalen Schwanz von Otto Messmer.
Ob Felix nun von dem amerikanischen Cartoonisten Messmer selbst oder vom australischen
Film-Produzenten Pat Sullivan erdacht wurde, ist bis heute nicht abschliessend geklärt
geworden.
Um diese Zeit konnte man das vermehrte Aufkommen von sogenannten
"Eight Pagers" beobachten, in denen bekannte Comic-Helden endlich
auch einmal ihre sexuellen Gelüste ausleben durften.
Walt Disney bringt einen den ersten Ton-Trickfilm heraus:
"Steamboat Willie". Darin wird die wohl berühmteste (Comic-)Maus aller
Zeiten benannt, nämlich Mickey Mouse. Von 1933 bis 1975 wird Mickey
(hauptsächlich) vom amerikanischen Cartoonisten Floyd Gottfredson betreut.
E.C. Segar lässt erstmals den Spinat-Matrosen "Popeye" in seiner
Serie "Thimble Theatre" auftreten, der sich schnell nach vorne boxt. Und dies
trotz Segars etwas hölzernen Zeichenstils (er galt als "schlechtester Zeichner seiner
Zeit"). Gerüchteweise verbuchte die amerikanische Spinatindustrie mit dem Auftauchen
dieses prügelfreudigen Seemanns ein Umsatzplus von satten 30 Prozent.
Hal Foster zeichnet "Tarzan" nach den Büchern von Edgar Rice
Burroughs (1912) - mit detailreichen Bildern von geradezu mythischer Kraft.
Weitere bekannte Zeichner der "Tarzan"-Serie waren Rex Maxon und
Burne Hogarth.
"Tim und Struppi" des Belgiers Hergé wird veröffentlicht. Hergé
gilt als wichtigster Pionier des europäischen Comics. Seine "klare Linie", die auf
alle Schraffuren oder Schatten verzichtet, wurde vielfach übernommen. 1941 kam der
fluchende Kapitän Haddock, und 1943 der schusselige Bienlein dazu. Das Werk ist akribisch
zusammengetragen und um Authentizität bemüht.
Chic Young lässt in seiner Serie "Blondie" ganz Amerika mitfiebern,
ob die Titelheldin und ihr Freund Dagwood Bunstead sich endlich richtig
finden werden. Sie heiraten schliesslich 1933, bekommen 1934 das erste Comic-Baby,
und 1941 entscheiden 430.000 Menschen in einer Umfrage über den Namen des zweiten
Kindes ("Cookie").
Chester Gould zeichnet "Dick Tracy". Zwar ziemlich karikiert,
aber mit dichten Storys.
Der deutsche Zeichner e.o.plauen bringt die poetische, liebevolle Serie
"Vater und Sohn" heraus (bis 1937). Der Strip wurde schnell erfolgreich
(und viel beneidet). Er karikierte auch Hitler und Goebbels, wofür er 1944 von
der Gestapo verhaftet wurde. Vor seiner Hinrichtung beging plauen Selbstmord.
Publikation von "Terry and the Pirates" des Zeichners Milton Caniff.
Die Geschichten um einen Jungen und seinen erwachsenen Begleiter gelten als die
Wegbereiter des Abenteuer- und Reise-Comics.
Alex Raymond zeichnet so erfolgreiche Serien wie "Secret Agent X9",
"Jungle Jim", "Flash Gordon" und "Rip Kirby" (ab 1946).
"Phantom" von Ray Moore und Lee Falk: Ein B-Comic, welches
weltweit, aber v.a. auch in Europa erfolgreich ist. Ein wesentlicher Grund für
die Popularität der Serie ist laut Falk, dass es Moore verstand, sehr schöne Frauen
zu malen.
Hal Foster lässt die "Tarzan"-Sonntagsseite sausen (siehe weiter vorne) und
zeichnet dafür Prinz Eisenherz. Wie immer bei ihm im klassischen
Illustrationsstil ohne Sprechblasen.
Jerry Siegel und Joe Schuster lassen "Superman" den Untergang
seines Heimatplaneten Krypton erleben. Sie verkaufen leichtsinnigerweise die Rechte
an ihrer Figur für ein paar Hundert Dollar an den DC Comic-Verlag. Ihnen wurde bereits
1940 gekündigt, nachdem sie gegen "Superboy" protestiert hatten. 1978 bekamen
sie jedoch vorsorglich eine Abfindung und eine jährliche Rente zugesprochen, damit
der erste Superman-Film keine negative Presse bekommt.
Bei DC Comics erscheint "Batman" (eigentlich "The Bat-Man") von
Bill Finger und Bob Cane ("Detective Comics #37"). Weil nicht gerade
ein Saubermann, was seine Verbrechensbekämpfungsmethoden angeht, ist er erst nach
einigen Folgen auch von der Polizei anerkannt.
"Wonder Women" des Psychologen William Moulton Marston und des
Zeitungszeichners Harry Peter schlägt sich so erfolgreich in der
"Gerechtigkeitsliga" von DC Comics, dass sie schliesslich ein eigenes Heft
bekommt (trotz oder gerade auch wegen der emanzipatorischen Botschaften, die zu
jener Zeit nicht unumstritten waren). Interessant ist ihr magisches Lasso,
das jeden zwingt, die Wahrheit zu sagen - denn es war Marston, der 1915 gemeinsam
mit seiner Frau eine Frühform des Lügen-Detektor erfand!
Carl Barks debütiert mit "Donald Duck". Er wurde zum wohl besten und
populärsten Zeichner bei Disney. Der ebenso geizige wie reiche "Dagobert Duck"
kam 1947 dazu, der Glückspilz "Gustav Gans" 1948, die geldgierigen, aber etwas
unfähigen "Panzerknacker" 1951 und der geniale Erfinder "Daniel Düsentrieb"
1962. Durch Fans angeregt malte Barks einige Donald-Bilder in Öl, die bereits 1980
für 42.000 Dollar versteigert wurden. 1991 ging eines der Bilder für 300.000 Dollar
allerdings nicht weg. Barks zeichnet Donald bis 1968.
Morris zeichnet "Lucky Luke". Zuerst humoristisch, später als
gekonnte Genre-Parodie. In der Serie gibt es "Gastauftritte" populärer Personen,
wie etwa von Lee van Cleef, Sean Connery, ... Ab 1955 schrieb Goscinny die Storys
(Goscinny zeichnete selbst auch, aber eher schlecht als recht, so konnte er z.B.
keine Autos malen, weshalb amerikanische Grossstädte bei ihm zu Fussgängerzonen
verkamen).
Walt Kelly zeichnet in "Pogo" den politischen Alltag nach. Bekannt
ist die Serie auch für ihr auffälliges Lettering in den Sprechblasen.
Manfred Schmidt wollte Comics als primitivste Form der Kommunikation verulken,
wobei "Nick Knatterton" herauskam. Dessen slapstickhafte Kriminalfälle erwiesen
sich aber ironischerweise als überaus beliebt, und wurden bis 1961 in der Zeitschrift
Quick gedruckt.
Charles Schulz liefert mit den "Peanuts" den vielleicht erfolgreichsten
Strip aller Zeiten ab. Sein geschätztes Einkommen liegt daher bei 62 Millioen Dollar
im Jahr.
Mort Walker schickt - überaus erfolgreich - "Beetle Bailey" zum Bund.
Die EC-Comics fielen in der McCarty-Hysterie aufgrund ihrer Horrorgeschichten
der Zensur zum Opfer. Oder genauer: Da sie nicht dem Comic-Code entsprachen, fand sie
keine Vertriebswege mehr, sodass sie schliesslich aufgegeben werden mussten. Deren
Verleger, Harvey Kurtzmann und William Gaines, entwickelten daraufhin
das "MAD Magazin", denn dessen satirischer Ansatz war weit ungefährlicher.
Der wohl bekannteste Zeichner von MAD wurde Will Elder.
Rolf Kauka beginnt seine Comic-Produktion im Stile Disneys in der BRD.
"Fix und Foxi" wurde dabei zum erfolgreichsten deutschen Comic-Magazin.
40 Jahren später liess Kauka Fix und Foxi enden, nachdem in einem der Hefte ein
Bild der Pop-Ikone Madonna auftauchte, da er eine zunehmende Amerikanisierung
seines Werkes befürchtete.
Paul Murry zeichnet "Micky Maus" und "Goofy" weiter (bis 1984).
Der ritterliche Held "Sigurd" (Zeicher: Hans Rudi Wäscher; weitere
Comics: "Falk", "Tibor" und "Nick") steht 15 Jahre im Mittelpunkt
der schmalen "Piccolo"-Heftchen. Zwischen 1953 und 1968 erschienen 327 Folgen.
Die drei kleinen Kobolde Dig, Dag und Digedag vom Zeichner Hannes Degen
erscheinen zu Weihnachten 1955 als erstes Serien-Comic der DDR auf der Bildfläche.
Fred und Jeff machen im Dienste des spanischen Zeichners Francisco Ibanez
als ausgeflippte Agenten "Clever & Smart" die Welt (un)sicherer.
Mit der Neuauflage der "Gerechtigkeitsliga" bringt DC Comics eine
clevere Comic-Form heraus, in der gefahrlos getestet werden kann, welche Superhelden
beim Publikum ankommen und welche nicht. Die, die Erfolg hatten, bekamen dann häufig
ein eigenes Heft.
Goscinny und Uderzo veröffentlichen den ersten "Asterix & Obelix"-Band
mit einer Auflage von 6.000 Stück. 1962, beim zweiten Band, beläuft sich die Auflage
bereits auf 20.000, 1963 auf 40.000 ... und heute auf ca. 2 Millionen Stück. Trotzdem
der intelligente Witz der Hefte seit Goscinnys Tod (1977) deutlich nachgelassen
hat - auch wenn der Multimillionär Uderzo das nicht gerne hört.
Marvel registriert die Erfolge bei DC Comics und bringt mit den
"Die Fantastischen Vier" ebenfalls eine Superhelden-Gruppe zustande, die
aber im Gegensatz zu den bisherigen, übermenschlichen Protagonisten nicht immun
sind gegen seelische Pein. Zeichner/Texter u.a. sind Stan Lee (Chefredakteur)
und Jack Kirby.
"Die Spinne" von Stan Lee und Steve Ditko wird zum erfolgreichsten
Superhelden der 60er Jahre. Soap-Opera und Peter Parker im Bad der Gefühle - genial!
Charlier und Giraud legen mit "Blueberry" die überzeugendste Westernserie
vor, die das Medium Comic hervorgebracht hat. Epische, komplexe Handlungen,
aber auch zeichnerisch hervorragend gestaltet.
Mit den "X-Men" lassen Chris Claremont und Dave Cockrum eine
internationale Heldentruppe bei Marvel ins Rennen gehen. Nach nur drei Ausgaben
stirbt der Indianer Thunderbird - es ist wohl das erste Mal, dass so etwas in einem
Superhelden-Comic thematisiert wird. V.a. der cholerische, rauchende und trinkende
Wolverine aus Kanada prägt einen neuen, härteren Heldentyp.
Die Veröffentlichung der freiherzigen Weltraum-Blondine "Barbarella" von
Jean-Claude Forest sorgt in Frankreich für einen Skandal. 1968 kommt der
gleichnamige Film mit Jane Fonda in der Hauptrolle heraus.
Robert Crumb bringt das Magazin "Zap" heraus und markiert damit
den Beginn der Underground-Comix, die sich bewusst nicht länger an den
Comic-Code hielten. Crumb zeichnete u.a. "Mr. Natural" und
"Fritz The Cat". Thema war immer wieder die Bewusstseinsänderung durch
Drogen sowie sexuelle Perversionen. 1972 wurde "Fritz The Cat" verfilmt - der
erste Trickfilm in den USA ab 18 Jahre -, was Crumb jedoch nicht gefiel.
Die "Freak Brothers" werden von Gilbert Shelton zum Leben erweckt,
drei Aussteiger, die fortan (bis 1992) die alternative Szene in San Francisco
unsicher machten.
"Paulette" von Georges Pichard und Georges Wolinski wird in
Frankreich publiziert, eine ebenso schrille wie erotische Satire.
"Doonesbury" von Garry Trudeau zeichnet die amerikanische Tagespolitik
in antikonservativer Weise nach und wird über die Jahre zur nationalen Institution.
Moebius führt die Direktkolorierung ein. Dieses relativ aufwendige
Verfahren findet vor allem bei künstlerisch angelegten Alben Verwendung.
Unter dem Pseudonym Moebius zeichnete der Franzose Jean Giraud bereits seit
1961 die Wirklichkeit neu. Seine Experimente sind stark vom amerikanischen
Underground-Comix geprägt. Doch auch sein eigener "Arzach" beeinflusste
die Comicszene nachhaltig.
Der pizzafressende Kater "Garfield" von Jim Davis mausert sich zum
zweiterfolgreichsten Strip aller Zeiten.
"Werner" von Brösel schafft für ein halbes Jahr den Sprung auf
Platz 1 der deutschen Bestseller-Listen. 200.000 Fans kommen zum Horex-Rennen.
1990 kommt der Film. "Werner" prägte das Szenejargon der 80er ("Bescheid",
"Flasch Bier").
Katsuhiro Otomo, beeinflusst von Moebius, revolutioniert die Mangas - im
Gegensatz zu seinen Kollegen zeichnete er nicht nur Hintergründe naturalistisch,
sondern auch die handelnden Personen. Bis 1988 umfasste sein "Akira" über
2.000 Seiten. Der anschliessende Film machte die Mangas dann weltweit bekannt.
Der erster Computer-Comic: "Shatter" von Michael Saenz. Einstellung
nach 14 Ausgaben.
"Maus" von Art Spiegelmann in den USA.
"The Dark Knight Returns" von Frank Miller. Ein gealterter Batman
demontiert das platte Superhelden-Image.
"Der bewegte Mann" von Ralf König spielt im
Schwulen-Milieu. Der Film wurde mit 6 Millionen Zuschauer zum zweiterfolgreichsten Film
Deutschlands.
Die amerikanische Comic-Branche macht 600 Millionen Dollar Umsatz. 32% gehen an
Marvel, 20% an DC Comics. "Image" von Todd McFarlane,
dem ehemaligen Spider-Man-Zeichner mit Kultstatus, sichert sich rasch 12% vom Kuchen.
Marvel und DC gehen verstärkt Kooperation mit Crossover-Stories ein (bereits 1977 trafen
Superman und Spider-Man zusammen, der Höhepunkt der Crossovers war aber erst 1995).
"Dilbert" von Scott Adams wird der erste Internet-Comic.