Konstruktion neuronaler Netzwerke für Regressionsanalysen - Einleitung

von Daniel Schwamm (01.12.1995)

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Einsatz von neuronalen Netzwerken zur Analyse von Zusammenhängen zwischen (ökonomischen) Variablen. Mit den herkömmlichen Methoden der Ökonometrie, zum Beispiel linearen und nichtlinearen Regressionsmodellen, lassen sich zukünftige Finanzmarktdaten wie Aktienkurse, Wechselkurse oder Zinsen nur unzureichend vorhersagen. Aber auch an neuronale Netzwerke dürfen keine zu hohen Ansprüche gestellt werden. In der Literatur erfahren sie bisweilen eine völlig unkritische Darstellung, da ihnen eine gewisse "Intelligenz" unterstellt wird, die es ihnen ermöglichen soll, Probleme zu lösen, die selbst Experten nur unzureichend bewältigen können. Betrachtet man neuronale Netzwerke unter einer statistischen Perspektive, wird deutlich, dass sich ihre Vorgehensweise nicht grundlegend von der der herkömmlichen ökonometrischen Modelle unterscheidet. Wie hier dargelegt wird, besitzen neuronale Netzwerke insbesondere die Eigenschaft, sich wie (nicht-)lineare Regressionsmodelle zu verhalten.

Kapitel 2 gibt eine Einführung in die Theorie der neuronalen Netzwerke. Hierbei werden diejenigen Begriffe und Verfahrensweisen erläutert, die zum weiteren Verständnis der Arbeit benötigt werden. Danach erfolgt eine Beschreibung der verschiedenen statistischen Methoden, die in der Ökonometrie Verwendung finden. Ferner wird ihr Einsatz im Zusammenhang mit der Approximationstheorie diskutiert. Im folgenden werden die dargelegten Techniken der Neuroinformatik und Ökonometrie in Beziehung zueinander gesetzt. Die Vorgehensweise orientiert sich dabei an dem Diskussionspapier von Anders (1995), setzt die Akzente aber stärker auf die Intention hinter den Verfahren, als auf die dort dargelegten mathematischen Formalismen. Am Beispiel der Regressionsmodelle wird aufgezeigt, dass sich neuronale Netzwerke als flexible Oberklasse dieser Approximationsverfahren interpretieren lassen. Darüber hinaus besitzen sie beim Enwurf der Spezifikation die Eigenschaft, dass sie in der Regel keine expliziten Annahmen über die funktionale Form des gesuchten Zusammenhangs zwischen den Variablen treffen müssen. Es ist vor allem diese Erkenntnis, die den in der vorliegenden Arbeit propagierten neurometrischen Ansatz rechtfertigt.

Nachdem die theoretischen Grundlagen für den Einsatz neuronaler Netzwerke zur Analyse von Zusammenhängen zwischen Variablen gegeben wurden, vertieft Kapitel 3 die Thematik in praktischer Weise. Dazu wird eine Software namens Neurometricus vorgestellt, die vom Verfasser entwickelt wurde, um mithilfe von neuronalen Netzwerken empirische Untersuchungen unter statistischen Gesichtspunkten vornehmen zu können. Diese Eigenentwicklung ist nötig gewesen, da entsprechende Programme nicht zur Verfügung standen. Darüber hinaus wird ein neurometrischer Modellbildungsprozess erläutert, der eine automatisierte, problembezogene Konstruktion der Spezifikation von neuronalen Netzwerken ermöglicht. Jeder Teilschritt dieses Prozesses wird mit den von Neurometricus zur Verfügung gestellten Funktionen durchgeführt und auf seinen Zweck hin analysiert. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einem typischen Anwendungsbeispiel aus der Ökonometrie. Dabei handelt es sich um eine Insolvenzanalyse, zu deren Durchführung auf empirisches Datenmaterial aus dem Mannheimer Unternehmens-Panel (MUP) zurückgegriffen wurde. Exemplarisch wird dadurch vorgeführt, dass sich neurometrische Modelle als objektiv leistungsfähiger erweisen können als die herkömmlichen ökonometrischen Modelle. Auf den Ergebnissen dieser Untersuchung stützt sich dann auch eine Veröffentlichung, die vom Zentrum für Europäischen Wirtschaftsforschung (ZEW) vorgenommen wurde.

Das Konzept der Neurometrie wird in der vorliegenden Arbeit nicht abschliessend dargestellt. Es ist offen gegenüber Erweiterungen und Verbesserungen. Kapitel 4 dient dazu, diese Ergänzungsmöglichkeiten zu beschreiben. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei die theoretische und praktische Ausweitung des neurometrischen Modellbildungsprozesses für neuronale Netzwerke. Es wird insbesondere ein Ausblick darauf gegeben, welche zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten sich in diesem Zusammenhang für die hier vorgestellte Software Neurometricus ergeben.